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den, die in beiden Kirchen Rottweils nicht
unterzubringen waren. Deshalb wurde der
Bischofstag in Rottweil am 22.3.1935, also
zwei Tage vor Beginn der Veranstaltung, abgesagt
.
Aus welchem Grunde hatten die NS-Funktio-
näre ihre Einstellung über den Abhaltungsmodus
des Bischofstages ständig geändert? Eine
Erklärung für dieses Verhalten lieferte Bürgermeister
Abrell in einer Mitteilung im „Schwarzwälder
Volksfreund" vom 25.3.1935:„£te Verbot
jeder öffentlichen Kundgebung gründete
sich auf die Weisungen der Politischen Polizei
und war erforderlich im Interesse der Auf
rechterhaltung der öffentlichen Ruhe und
Ordnung und der Sicherung des religiösen
Friedens." Ortsgruppenleiter Mann und Kreisleiter
Acker sekundierten mit der Erklärung:
„Die für solche Sachen zuständige Polizeibehörde
hat sich lediglich an Verlautbarungen
des Reichspropaganda-Ministeriums gehalten
und in eigener Verantwortung eine Ausdehnung
der Veranstaltung sowie eine Lautsprecher
-Übertragung auf öffentlichen Plätzen
untersagt."
Die Verlegung des Bischofstages
von Rottweil nach Schramberg
Die Absage des Bischofstages in Rottweil
erfüllte die katholische Jugend mit großer Enttäuschung
, weil es so schien, als seien die
Mühen für die umfangreichen Vorbereitungen
vergeblich gewesen. In dieser Situation erblickte
Vikar Rauschmaier als Präses des Katholischen
Jungmännervereins Schramberg seine
Chance: Er setzte sich sofort telefonisch mit
Rottenburg in Verbindung, und mit seinem
unerhörten Optimismus gelang es ihm, Bischof
Sproll davon zu überzeugen, den Bischofstag
doch stattfinden zu lassen, und zwar in Schramberg
. Nach der Zusage von Rottenburg kam es
darauf an, alle Vereine und Pfarreien, denen von
Rottweil aus bereits eine Absage erteilt worden
war, erneut und nun für Schramberg einzuladen
und zu mobilisieren. Mit Telefon, Auto und
Motorrad wurde der ganze Kreis alarmiert.
Eilends wurde ein Arbeitskreis gebildet, um die
Organisation zu regeln und um den Ordnungsund
Wachdienst zu verteilen. Am Samstagnachmittag
begann dann die Ausschmückung der
Heiliggeistkirche mit Kränzen und anderen
Dekorationen. Noch bis Mitternacht wurde
daran gearbeitet. Dann waren die Vorbereitungen
abgeschlossen: Jetzt spannten sich Fahnendrapierungen
in Rot-Weiß und Gelb-Weiß von
Empore zu Empore und belebten das eintönige
Bild der Steinsäulen. Ferner wurden Mikrophon
und Kabel zur Stadtpfarrkirche St. Maria
gelegt und so lange getestet, bis alles in Ordnung
war.
Die Gottesdienste mit Bischof Sproll —
ein religiöses Erlebnis für die
katholische Jugend
Der Bischofstag in Schramberg war für die
katholische Jugend ein unvergessliches religiöses
Erlebnis. Etwas davon klingt noch nach in
einer eindrücklichen Schilderung, die wahrscheinlich
von Fritz Grüner6, einem Mitglied
der katholischen „Sturmschar", verfasst wurde.
Dessen Darstellung zeichnet sich durch eine
große Detailtreue in der Beschreibung der Vorbereitungen
und des Ablaufs des Bischofstages
aus. Fritz Grüners Schilderung ist aber noch in
anderer Hinsicht von Bedeutung: Einerseits
stellt sie ein Zeitdokument für das religiöse
Selbstverständnis und das religiöse Zeitgefühl
eines „Sturmschärlers" dar, andererseits enthält
sie eine vorsichtige Kritik an den „Strömungen
der Zeit", an den „modernen Irr- u. Glaubenslehren
", an den „Respektlosigkeiten" der HJ
gegenüber dem Bischof und an den „Vorfällen
des Spätnachmittags und Abends":
„Der Sonntagmorgen kam und mit ihm ein
Regen, der uns nicht gerade erfreute. Um 6
Uhr brachten wir die letzten Girlanden und
Transparente an der Hl. Geistkirche an und
um 7 Uhr kamen von Rottweil-Altstadt schon
die ersten Jungmänner tropfnass an. Plakate
wiesen zum Tagungsbüro hin, wo die Programme
ausgegeben und Verpflegungsmöglichkeiten
bekannt gegeben wurden. Um 8
Uhr fuhr ein Omnibus um den anderen von
Sulgen her, am Paradiesplatz von unsern
Jungschärlern angehalten und direkt zum
Berneckplatz geleitet. Und sie kamen - von
Ebingen, Balingen, Tuttlingen, Freudenstadt,
Spaichingen, Oberndorf, von den fernsten
Dörfern des Heubergs, der Baar und des
Schwarzwalds. Der Ruf war nicht ungehört
verhallt und gerade durch die Schwierigkeiten
noch viel stärker und freudiger aufge-
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