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Im ganzen württ. Schwarzwald ist die Nachricht mit aufrichtiger
Freude aufgenommen worden, dass Freudenstadt
gegenwärtig als Erholungsstätte den Führer des Deutschen
Volkes beherbergt, der dort eine der Haupterwerbsquellen
des Schwarzwaldes, den Fremdenverkehr
selbst kennenlernt und unterstützt.
Noch mehr erfreut und ehrt uns Schramberger heute, dass
dieser hochgeschätzte Kurgast des Schwarzwaldes und
mit ihm der Leiter unseres schwäbischen Volksstaates in
Begleitung des Vertreters unseres Landes beim Reich und
des Vorstands des Württ. Arbeitsministeriums auch eine
Industriestadt des Württ. Schwarzwaldes besuchen und
damit auch der Schwarzwälder Industrie, die einen weiteren
wichtigen Erwerbszweig unserer Bevölkerung darstellt
, Beachtung schenken.
Mit herzlichem Willkomm entbietet die Stadtgemeinde
Schramberg dafür ehrerbietigen Dank. Wie die frische und
reine Luft unserer Höhen und Schluchten der körperlichen
Gesundheit die besten Dienste tut, so empfindet
wohl jeder Besucher der Industriestadt Schramberg die
friedliche Arbeit, die hier geleistet wird, als Hauptmittel
zur Stärkung und Gesundung unseres Volkskörpers.
Dessen ist sich hier Arbeitgeber und Arbeitnehmer be-
wusst und in diesem Bewusstsein gewähren beide opferwillig
dem Reiche, was des Reiches, und dem Lande, was
des Landes ist, und Reich und Land so, was ihnen nottut.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben diese Gesinnung
erst in diesen Tagen durch ihre besonnene, Ordnung und
Gesetz wahrende Haltung in der Frage des Steuerabzugs
bewiesen. Dieses Verhalten bildet wohl die beste Versicherung
unserer Schwarzwälder Treue gegenüber dem
großen deutschen Vaterland und der engeren schwäbischen
Heimat.
Wir Schramberger knüpfen an dieses Treuegelöbnis nur
die eine Bitte, dass die besonderen Interessen unserer hiesigen
Industrie bei Reich und Land stets Beachtung und
Berücksichtigung finden mögen. Dahin gehören vor allem
gute Verkehrsverbindungen und Ausfuhr- und andere
Absatzerleichterungen. Tagesfragen dieser Art sind zur
Zeit die Errichtung eines Zollamts, eine Bahnhoferweiterung
und die Verstaatlichung der Kraftwagenlinie nach St.
Georgen. Anträge der Industrie zu den Steuerfragen sind
vor wenigen Tagen in besonderen Eingaben dem Reich
und dem Land unterbreitet worden.
Allen diesen Wünschen fügen wir heute noch den weiteren
an, unsere Gäste mögen angenehme Stunden erleben
und gute Erinnerungen aufnehmen bei ihrem heutigen
Besuch in unserer schwäbischen Schwarzwaldindustriestadt
Schramberg."
Hierauf nahm Reichspräsident Ebert das Wort zu folgender
Ansprache: „Lassen Sie mich herzlich danken für die
freundlichen Begrüssungsworte, die Sie uns, mir und dem
Herrn Staatspräsidenten, dem Herrn Arbeitsminister und
den übrigen mit mir erschienenen Herren gewidmet
haben.
Ich bin in den Schwarzwald gekommen, um als schlichter
Bürger die Waldluft geniessen zu können und wenn auch
das Wetter nicht allzu günstig war, so habe ich bisher das
gefunden, was ich suchte. Im übrigen bin ich sehr gerne
bereit gewesen und bin dankbar Ihrer Einladung zum
Besuch nach Schramberg gefolgt.
Schramberg ist eine unserer bedeutendsten Industriestädte
des Reichs mit einer eigenartigen interessanten
Geschichte. Ihre Blüte verdankt sie zum großen Teil ihrer
eigenen Kraft. Das, was Schramberg industriell geworden
ist, dankt sie den energischen, weitblickenden und tüchtigen
Führern und Leuten, die aus ihrer Bevölkerung selbst
hervorgegangen sind. Wenn ich insbesondere auf die führenden
Männer des Industrielebens und Wirtschaftslebens
in Schramberg hinweise, so darf ich wohl sagen, dass
Schramberg seine Entwicklung nur nehmen konnte dank
des vollen Verständnisses und Pflichtbewusstseins seiner
arbeitenden Bevölkerung und dass Schramberg eine so
glückliche Entwicklung erleben konnte deshalb, weil zwischen
den Industriellen und der Arbeiterschaft ein besonderes
Verständnis für ein Miteinanderarbeiten bestanden
hat, selbst in den schweren und trüben Zeiten, die wir
durchmachen mussten. Wir haben gerade jetzt einen überaus
schwierigen Stand auf dem Weltmarkt, und ich freue
mich, durch Herrn Direktor Junghans erfahren zu haben,
dass dieser Stillstand und Rückschlag Schramberg noch
nicht in dem Maße getroffen hat, wie im übrigen die deutsche
Industrie.
Zum Schluß möchte ich im Namen aller Gäste Herrn
Stadtschultheiß nochmals auf das herzlichste danken für
den warmen Empfang, der uns zuteil wurde, mit dem
Wunsch für eine erfolgreiche Tätigkeit und glückliche
Zukunft des Schramberger Wirtschaftslebens."
Sodann führte der Württ. Staatspräsident Dr. von Hieber
Folgendes aus: „Ich möchte auch meinerseits den herzlichsten
Dank aussprechen für den freundlichen Willkommgruß
, den der Herr Stadlvorstand uns geboten hat.
Der Herr Stadtvorstand hat vorhin auch eine kleine
Anspielung gemacht auf die letzten Vorgänge, die wir in
der letzten Woche in der Landeshauptstadt durchlebt
haben. Er hat hingedeutet auf die Haltung, welche die
Schramberger Arbeiterschaft und Bevölkerung in dieser
Beziehung eingenommen hat. Sie hat uns durch die Vermittlung
ihres berufenen Vertreters eine Entschließung
zu diesen schwebenden Fragen zukommen lassen, die
unsere vollste Beachtung und Aufmerksamkeit gefunden
hat. Ich möchte nicht verfehlen, hier auszusprechen, dass
gerade das ruhige Verhalten, welche die Arbeiterschaft
Schrambergs in dieser Frage eingenommen hat, uns bei
der schweren Verantwortung, die auf uns lag, zur Genugtuung
und Befriedigung gereicht hat, und wir werden
nicht verfehlen, auch die Wünsche, welche in der Entschließung
zur Ausführung gekommen sind, bei den geeigneten
Stellen in Berlin zu vertreten. Wir sind uns der
Eigenart und Tüchtigkeit Schrambergs stets bewusst und
werden den besonderen Wünschen Schrambergs, die der
Herr Stadtvorstand vorhin vorgetragen hat, die vollste
Beachtung zuwenden. Wie in den schweren Zeiten der
Gegenwart, so möge auch in Zukunft Schicksal und Entwicklung
Schrambergs stets unter einem guten Stern stehen
."
Als Vertreter der Arbeiterschaft sprach Gewerkschaftssekretär
und Gemeinderat Schlachter die Wünsche und
Hoffnungen der Industriearbeiter im nachstehenden
Sinne aus: „Gerne und freudig ergreife ich die Gelegenheit
, im Namen der frei organisierten Arbeiterschaft, und
ich glaube, auch im Sinne anderer Arbeiter, nicht zuletzt
der zahlreichen Arbeiterinnen, die Herren der Reichs- und
Landesregierung, den Vertreter des Württ. Arbeitsministeriums
und die übrigen Herren in Schramberg zu begrüs-
sen. - Namentlich heisse ich den Präsidenten unserer
Republik, Herrn Ebert, und den Württ. Gesandten in Berlin
, Herrn Hildenbrand, als Parteifreunde in unserem
Schramberg herzlich willkommen. - Ebenso gerne, hoffnungsfroh
, und zuversichtlich ergreife ich aber auch die
Gelegenheit, Ihnen ein Stimmungsbild in gedrängtem Rahmen
von der Schramberger Arbeiterschaft zu geben, deren
Hoffnungen und Wünschen, welche diese an Ihren
Besuch knüpfen, Ausdruck zu verleihen. Wohl wissen wir,
dass auch Sie, meine Herren, wie Sie heute hier erschienen
sind, die Verhältnisse nicht Ihren Willen unterordnen kön-
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