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Pfarreien Mariazell und Lauterbach verwiesen.
Das Heiligengut derTennenbronner Kirche, so
klagten sie 1692, sei ihnen entzogen, wo sie
doch weiterhin Abgaben an die Tennenbron-
ner Kirche zu leisten hätten. Dies bedeutete
für sie, dass sie keinen Heiligenpfleger mehr
wählen durften, der zusammen mit den württembergischen
Heiligenpflegern die Jahresrechnung
geprüft hätte. Es ging um Ausgaben
für die Pfarrer- und Mesnerbesoldung, um die
Erhaltung des Friedhofs, um die Armenpflege
und das Schulwesen. Dies alles war den
schrambergischen Tennenbronner Untertanen
nun nicht mehr zugänglich.
Dass eine bessere Lösung sehr wohl möglich
gewesen wäre, war aus dem nahen Oberprech-
tal bekannt, wo fürstenbergisch-katholische
und württembergisch-evangelische Heiligenpfleger
die - übrigens bis in die jüngste Vergangenheit
paritätische - Kirche einvernehmlich
verwalteten.
Da es kein Rathaus gab, wurden Kauf- und Heiratstage
und sonstige Vorgänge, bei denen
Urkunden zu unterschreiben waren, bisher im
württembergischen Wirtshaus oberhalb der
Kirche abgehalten. Dies wurde den schrambergischen
Untertanen nun verwehrt. Sie
mussten die Zehrung nun im weiter entfernten
und teureren Wirtshaus auf dem Hardt,
damals Teil der Gemeinde Mariazell, abhalten.
In den nicht weniger als 55 Beschwerden
beriefen sich die Untertanen auf das Urbar mit
genauen Hinweisen auf die betreffenden Seiten
. Inzwischen besaßen sie also offensichtlich
eine Abschrift. Daneben beriefen sie sich auf
frühere Observanzen, also älteres Gewohnheitsrecht
, wollten aber neues, ihnen nachteiliges
Gewohnheitsrecht verhindern.
Nach Klärung der Herrschaftsnachfolge war
der Sohn Johann Friedrichs, Ferdinand Carl
von Bissingen, seit 1697 endgültig Inhaber der
Herrschaft Schramberg unter österreichischer
Lehenshoheit und Landesherrschaft. Sofort
verfassten die „Thal- und Stabsvögt und gesamten
Gemeinden der Oberösterreichischen
Freyen Herrschaft Schramberg" eine Grava-
torial- und Revisionsschrift „contra Ihro Gnaden
Herrn Baron Ferdinand Carl Freiherrn von
Bissingen" (Archiv der Grafen von Bissingen
Nr. 1057). Inzwischen hatte die Oberösterreichische
Regierung von selbigem das authentische
Rochus Merz'sehe Urbar eingefordert
und gestand den Untertanen die Wiederaufnahme
eines Prozesses aber nicht die
Verzögerung der Huldigung zu. Im Februar
1700 schaltete sich Kaiser Leopold persönlich
in den Konflikt ein und beklagte sich darüber,
wie „ungehorsamb, disrespectuos, halßstarr
und bedrohlich unsere Schrambergischen Un-
terthanen sich wider den Baron Carl Ferdinand
von Büssingen als besagter Herrschaft
investierten Lehensinhabern" verhielten. Zwei
Mal hätten sie dem Huldigungskommissar
Hauptmann Dionys von Rost die Huldigung
verweigert oder sich ihr entzogen. Deshalb
wurde nun eine Exekution mit militärischer
Gewalt „armatu manu" vom Kaiser in einem
am 16. Februar 1700 an die Oberösterreichischen
Räte abgegangenen Schreiben angeordnet
, um die Huldigung unter allen Umständen
zu erzwingen.
Nach einem Protokoll vom 16. März nahmen
die Soldaten in den Herrschaftsorten Salomon
Wolber, Silvester Lindenmiller, Joseph Herzog
und Michael Haberstroh fest. Bei Auseinandersetzungen
auf den Dörfern seien „gar ett-
lich weiber hart geprüglet worden" und einigen
Gefangenen die „händt so harrt gebunden
worden dass Blut danach geloffen." (Bissin-
gensches Archiv Nr. 1706). Von den zurückgebliebenen
Männern wurde die Huldigung
erzwungen, dann seien die Untertanen Gott sei
Dank „in guetter ordre abmarschiert".
In der Pfarrchronik wird mit Erschrecken das
Verhalten der 500 Soldaten notiert, die ihren
zustehenden Sold noch nicht bekommen hatten
. Sie plünderten die Häuser der Bauern,
führten ihr Vieh außerhalb der Herrschaft, um
es zu verkaufen, brachten das unverkäufliche
Vieh wieder zurück und drangsalierten die
Bauern weiter. Der Pfarrer befürchtete eine
völlige Verarmung der Untertanen.
Diese gaben aber nicht auf. Auch die Frauen
beteiligten sich am Widerstand und an dem
Versuch, auch in ungünstigster Lage doch
noch kleine Erfolge zu erreichen. Sieben
schwangere Frauen machten sich nach Wien
auf, offensichtlich um beim Reichshofrat oder
gar beim kaiserlichen Hof etwas zu erreichen.
Der Pfarrer wollte die zu Grunde liegende
Motivation nicht verstehen. Die Frauen wollten
damit zeigen, dass sie konkrete Verbes-
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