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Die Schiltach unterhalb Schrambergs
ernsöhne, die zuhause keine Beschäftigung
finden, arbeiten in ihrem Dienst. Dem einen
oder anderen unter ihnen gelingt es, sich vom
Flößerknecht zum Floßherren, zum Schiffer,
empor zu arbeiten.
Andre Kuenz2 ist so einer. Am 30. Oktober
1723 wird er auf dem Bühlhof in Schram-
berg geboren. Die Familie, aus der er stammt,
kommt aus der Schweiz. Großvater Caspar
Kuenz hat 1681 in den zu Schenkenzell gehörenden
unteren Kaibachhof eingeheiratet.3
Dessen Sohn, Andres Vater, der ebenfalls den
Namen Andre trug, heiratete 1723 in zweiter
Ehe die Erbin des Schramberger Bühlhofs,
Maria Rapp.Von den sieben Kindern, die dieses
Ehepaar miteinander hat, ist Andre Junior das
älteste. Zur Familie gehören fünf weitere Stiefgeschwister
aus erster Ehe des Vaters.4
Dem heranwachsenden Andre dürfte sehr bald
klar geworden sein, dass er nicht der künftige
Bühlhofbauer sein würde. Nach dem frühen
Tod des leiblichen Vaters - Andre ist gerade
14 Jahre alt - und nach der Wiederverheiratung
der Mutter führt ein Stiefvater das Regiment
auf dem heimatlichen Anwesen. Andre wäre
wohl ohnehin kein guter Bauer geworden;
seine Leidenschaft und seine Berufung gelten
dem Wald und der Flößerei. Die Schiltach, der
quirlige Nebenfluss der Kinzig, deren Wasser in
nächster Nähe am Bühlhof vorbeirauscht, zieht
ihn von Kindheit an in ihren Bann. Als Bub
schon darf er mit seinem Vater auf einem
Holzfloß hinunter ins Tal fahren bis nach Straßburg
, ein Erlebnis, das ihn sein ganzes Leben
lang nicht mehr los lässt. Nach des Vaters Tod,
als es Zeit wird, sich von daheim zu lösen, verdingt
sich Andre bei einem Bauern - im
benachbarten Schiltacher Lehengericht -, wo
er als Holzhauer und Flößerknecht Arbeit findet
.
Der junge Mann muss nicht sehr weit weg von
zuhause. Die Grundstücksgrenzen des elterlichen
Bühlhofes sind gleichzeitig die Landesgrenzen
der Herrschaft Schramberg. Während
diese österreichisch-lehnbares Territorium ist,
gehören die Nachbarhöfe im Lehengericht wie
auch das Städtchen Schiltach zum Herzogtum
Württemberg. Der Kaibachhof in Schenkenzell,
von dem sein Vater stammtest fürstenbergisch.
Andre pflegt, wie viele seiner Zeitgenossen, solche
Grenzen, so gut es geht, zu ignorieren. Die
Burschen und Männer, mit denen er in
den Wäldern um Schramberg, Schiltach und
Schenkenzell zu tun hat, sind keine Fremden
für ihn. Man arbeitet gemeinsam im Wald, baut
miteinander so manches Floß und führt diese
im Auftrag der jeweiligen Schiffer oder Bauern
hinunter nach Wolfach, zuweilen auch bis an
den Rhein nach Straßburg.
Im Frühjahr 1750 entschließt sich Andre, wie
das schon sein Vater getan hat, auf eigene Faust
Holzhandel zu betreiben. Er begibt sich ins
Hochgräfliche Oberamt nach Schramberg und
bittet um eine entsprechende Genehmigung.
Im Amtsprotokoll der Herrschaft ist festgehalten
, dass er diese am 21. Juli 1750 erteilt
bekommt.5
Fortan kauft, flößt und verkauft Andre Kuenz
Holz auf eigene Rechnung. Seine Brüder Anton
und Leonhard unterstützen ihn. Sie arbeiten
vorwiegend im oberen Kinzig- und im Schiltachtal
und sind weiterhin viel mit den Flößern
aus dem Lehengericht, aus Schiltach und
Schenkenzell zusammen. Da Andre von Haus
aus kein großes Kapitalpolster zur Verfügung
hat, muss er seine Holzeinkäufe auf Pump und
mit geliehenem Geld tätigen. Trotzdem schafft
er es, jedes Jahr einige Flöße nach Wolfach zu
bringen, wo er sie derWolfacher Schiffer-Kompagnie
verkaufen muss, da diese seit einigen
Jahren darauf besteht, dass der Holzhandel auf
der Kinzig unterhalb ihrer Stadt nur von Wolf-
acher und Schiltacher Flößern betrieben
werden darf. Nicht nur Andre Kuenz, auch
andere Schramberger Holzleute ärgern sich
über diese Beschränkungen. Könnten sie ihr
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