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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_24/0038
Das ehemalige Schulhaus in Hinterlehengericht.
Diese „ Zwergschule hatte nur zwei Klassen und
wurde 1973 aufgehoben. Heute dient das Gebäude
anderen Zwecken.

schrie ich so laut, dass ich von den anderen
Kindern ausgelacht wurde. Auf dem Heimweg
liefen wir, so schnell wir konnten, und setzten
uns dann irgendwo hin, um Karten zu spielen.
Wenn ich dann zu spät heimkam, wurde ich
von der Tante ausgescholten. Im Unterricht
lasen wir oft in der Bibel, und viel von dem
Gelernten ist mir mein Leben lang in Erinnerung
geblieben, besonders die Gesangbuchlieder
, die wir auswendig lernen mussten. Mit
14 Jahren kam ich aus der Schule.
In der Lutherischen Kirche im Nachbarort
Schiltach wurde ich konfirmiert. Dort besuchte
ich auch die Sonntagsschule. Die steinerne Kirche
war viel zu gewaltig gebaut und bildete
eine große Belastung für die Gemeinde. Jede
Konfession wollte eben ihre eigene Kirche
haben, in der Andersgläubige jedoch nicht willkommen
waren.

Nach der Schulzeit wurde ich zur Mitarbeit auf
den Feldern und im Haus meiner Tante angehalten
. Weil die Felder sehr steil waren, war es
notwendig, dass der Boden, der im Lauf des

Jahres herunterrutschte, wieder hinaufgeschafft
wurde. Die ganze Feldarbeit musste von
Hand gemacht werden.

Wir wohnten in einem einfachen Bauernhaus,
aber es herrschte ein christlicher Geist. Als
Hauptmahlzeit gab es Suppe, und alle aßen aus
einer großen Schüssel, die mitten auf dem
Tisch stand. Wer am schnellsten essen konnte,
bekam also am meisten. Deshalb habe ich auch
immer gern die Schüsseln abgewaschen, was
Mädchen sonst nicht gern machen. Unser Haus
hatte zwei Stockwerke: unten war das Vieh und
oben wohnte die Familie. Der Hof musste jeden
Tag saubergemacht werden. Eines Tages wurde
ich von einer anderen Tante abgeholt, dort
sollte ich auf die Bienenstöcke aufpassen. Es
war ein heißer Sommertag, und da bin ich nach
einiger Zeit eingeschlafen. Als der Onkel erschien
, bekam ich Schläge mit seinem alten Filzhut
, seitdem mag ich keinen Honig mehr.
Es wurde immer viel von Amerika gesprochen,
und ich wünschte mir, auch einmal in dieses
Land zu kommen. Als Erster kam mein Bruder
John (Johann Georg) herüber und schickte
dann Geld, damit wir anderen auch nachkommen
konnten. Im Sommer 1864 - ich war 16
Jahre alt - bin ich dann mit meiner Schwester
Barbara, ihrem späteren Mann Simon Brüstle
und ihrem ein Jahr alten Baby Mary, jetzt Frau
Esslinger, nach Amerika losgefahren. Wir kamen
auf ein Segelschiff und waren 45 Tage auf
dem Wasser. Unser Essen bestand aus Kartoffeln
, Schinken, Kaffee und Zwieback, alles war
uns vor der Abfahrt ausgehändigt worden. Jede
Familie musste ihr Essen selbst zubereiten,
erlaubt war eine warme Mahlzeit am Tag. Da
auf unserem Schiff aber nur ein Ofen vorhanden
war, gab es von früh bis spät einen Kampf
um diese Kochstelle, bei dem gewöhnlich der
Stärkste Sieger blieb. Zum Glück wurde ich
nicht seekrank, und ich hätte es ganz schön
haben können, aber ich musste mich die ganze
Zeit um das Baby kümmern und auch noch das
Essen kochen, denn meine Schwester war
andauernd seekrank. Ich erinnere mich, dass
eines Tages auf dem Schiff die Pocken ausbrachen
. Es kam zu einer Panik, ich hatte aber
keine Angst. Ein besonderes Erlebnis war es für
mich, als ich zuschauen konnte, wie ein Leichnam
zur Seebestattung fertig gemacht wurde.
An die Füße der Leiche band man Kohlestücke,

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