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nannten „Evakuierten" aus der pfälzischen
Schuhstadt Pirmasens, in Schramberg angekommen
. Dasselbe wiederholte sich in den folgenden
Nächten noch ein- oder zweimal. Dann
waren diese wieder so wie zuvor.
Doch die Stadt Schramberg hatte jetzt ein Problem
. Es galt, die vielen so unvermittelt, praktisch
mit nichts als bestenfalls einem Koffer,
und dazu noch mitten im Winter, angekommenen
Leute, einigermaßen menschenwürdig
unterzubringen.
In der damals einzigen Tageszeitung, der NS
WACHT, war darüber nichts zu lesen.Alle diese
kriegsbedingten Ereignisse unterlagen der Geheimhaltung
. Den besten Aufschluss wie dies
damals war, gibt die heutzutage einsehbare
„Niederschrift über die Beratungen des Bürgermeisters
mit den Ratsherren vom 5. Januar
1945" Dort heißt es:
Daraufhin berichtet der Leiter des städtischen
Quartieramtes über die Unterbringung
der Ausländer und der weiteren, aus Pirmasens
nach Schramberg abgewanderten Personen
. Hiernach sind in Schramberg nun über
2000 bombengeschädigte oder evakuierte
Personen untergebracht. Von dem letzten
Transport aus Pirmasens sind 6 Säle der
Schloßschule und 1 Saal der Burgschule mit
zusammen 119 Personen belegt, welche dort,
insbesondere mit Rücksicht auf die Heizmöglichkeit
, zufrieden und ordentlich untergebracht
sind, zumal sie Bettstellen haben. 72
Personen sind im Hilfskrankenhaus Heiligenbronn
und die restlichen in Privatquartieren
untergebracht."
Dieses Protokoll stammt vom 5. Januar 1945.
Das war fast einen Monat später. Bei den darin
angegebenen Personenzahlen handelte es sich
um Evakuierte, welche noch mit dem letzten
Transport angekommen waren.
Diejenigen aus den ersten Transporten waren
zuerst auch nur in Schulräumen untergebracht
worden. Als man dann aber für die weiteren
Ankömmlinge immer und immer wieder Platz
brauchte, wurden die Zuerstgekommenen
systematisch in „Privatquartiere" abgeschoben.
Heute, fast 60 Jahre später, hört sich das Wort
„Privatquartier" einigermaßen zivil an. Aber
damals im Krieg, in der herrschenden Diktatur,
lief dies ganz anders. Da erschien der zuständige
Blockwart der NSDAP in der Wohnung
und stellte fest, wie viele Personen in den vorhandenen
Räumen zusätzlich unterzubringen
seien. Das Ergebnis war hinzunehmen, Einwände
hatten praktisch keine Chance. Man
erhielt einen Zettel, auf welchem einem die
Anzahl der aufzunehmenden Personen mitgeteilt
wurde. Und so beginnt, genau genommen,
eigentlich erst ab hier, die:
Schramberger Weihnachtsgeschichte
Auch oben, im Haus am Berg, war der Blockwart
gewesen. Interessiert hatte er sich überall
umgesehen. Wenn einem schon einmal mit
staatlicher Rückendeckung die Gelegenheit
dazu gegeben wurde, sollte man sie doch auch
nützen. Es gab einige Zimmer im Haus. Aber
auch acht Kinder, welche mit den Eltern darin
wohnten.
Eigentlich war er zu einer nicht gerade günstigen
Zeit gekommen. Die ganze Familie saß
gerade beim Abendessen um den großen Esszimmertisch
. Die Kinder saßen da wie Orgelpfeifen
. Das Jüngste, so um die zwei, der Älteste
etwas mehr als fünfzehn Jahre alt. Elf Personen
waren es insgesamt. Das war eine ganze Menge.
In seinem Innern konnte er befriedigt feststellen
, dass er es bei sich daheim doch erheblich
ruhiger habe ...
Dessen ungeachtet waltete er seines Amtes und
stellte fest, dass man in dem Haus durch das
verschieben einiger Kinderbetten ohne
weiteres noch eine zusätzliche Person unterbringen
könnte. Das Nähere würde noch mitgeteilt
.
Und diese Mitteilung kam. Am 23.12., dem Tag
vor dem Heiligen Abend, hätte man sich, betreffs
Zuweisung einer Person, nachmittags im
Rathaus einzufinden.
Beim Mittagessen legte der Papa fest, dass dies
der Älteste machen solle. „Nimm aber auch den
Leiterwagen mit, vielleicht hat die Person einen
schweren Koffer." Mittags um vier Uhr ging er
zur Abholung.Als er um sieben Uhr noch nicht
zurück war, wurde die Mutter unruhig. Erst als
der Zeiger schon gegen acht Uhr ging, wurde es
unten an der Haustüre lebendig. Von oben
waren mehrere Stimmen zu hören. Einige der
Kinder sprangen wunderfitzig die Treppe
hinunter und blieben plötzlich Mucksmäuschenstill
stehen. Die kleine Schwester piepste
überrascht, die auf dem obersten Treppenab-
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