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Carsten Kohlmann —
Auch der Prophet in der eigenen Stadt...
Eine ganz persönliche Betrachtung
einer Persönlichkeit von Horst Schock
Der erste Eindruck, so sagt man, sei derprä-
gendste. 1999 begegnete ich Carsten Kohlmann
erstmals, und - wo auch sonst - in
einem Gebäude, das eines der geschichts-
trächtigsten der Stadt ist: im Parkhotel. Es
war die Zeit, als der Museums- und Geschichtsverein
Schramberg seine Vorstandsund
Ausschuss-Sitzungen noch dort abgehalten
hatte.
Ich erinnere mich noch ganz genau. Es war
einer dieser Tage, an dem die Sonne über
Schramberg lachte und eine unglaubliche
Hitze brachte. Im Nebenzimmer des Parkhotels
traf ich auf eine Runde meist älterer
Herren, meist mit Krawatte, und einer Dame.
Vor jeder Person eine kleine Flasche Mineralwasser
. Am rechten oberen Ende saß Martin
Maurer - er war der einzige, den ich kannte.
Die Atmosphäre in diesem Zimmer erinnerte
mich an ein Vorstellungsgespräch bei einem
Verlag, das ich einmal ebenfalls vor solch
einem Gremium führen musste. Die Gesichter
meiner Gegenüber erinnerten mich auch
daran, dass alle darauf warteten, welche
Gehaltsforderungen auf sie zukommen.
Nicht in dieses Bild passte aber einer: ein junger
Mann, eine dominante Erscheinung. Schon etwas
geprägt mit schütterem Haar, aber mit
einem prüfenden, ja fast strengen Blick. Und als
er erstmals an diesem Abend das Wort ergriff,
traf mich eine Sprache, die ich in Schramberg so
noch nie gehört hatte.
Sie erinnerte mich sehr an das so genannte
Honoratiorenschwäbisch, das ich aus Stuttgart
kannte. Aber noch nie von einem so jungen
Mann, eher aus dem Cafe Talmon-Gros am Stuttgarter
Charlottenplatz, wo sich die Vornehmen,
meist Älteren trafen.
Gelesen hatte ich von ihm schon einiges, sein
Name war mir wohl bekannt, doch die Zuordnung
seiner Themen und seines Schreibstils
passten nicht in mein Klischee, aber ich begegnete
Carsten Kohlmann, der zu dieser Zeit
noch im Tübinger Hagelloch am Dorfbrunnen
wohnte und an der Eberhard-Karls-Universität
studierte.
Kurzum, ich bekam den Job als Redakteur, der
das Erbe von Robert Ditter antreten sollte.
Alternativen zu mir gab es nicht, und Gehälter
mussten auch nicht bezahlt werden. Themen
für die D'Kräz 19 gab es auch nicht, und ich
fühlte mich irgendwie verlassen und stellte
mir die Frage: „Auf was lässt du dich eigentlich
ein?"
Und dann kam wieder die prägende Stimme
von Carsten Kohlmann, der mir einen Beitrag
zusagte und mich damit gleich wieder in große
Verlegenheit brachte. Der Titel seines Aufsatzes
lautete: „Das Kondominat Tennenbronn
im Dreißigjährigen Krieg und nach dem Westfälischen
Frieden". Ich bin alles andere als ein
Historiker, aber glaubte doch eine gute Allgemeinbildung
zu haben. Nichts da! Das Wort
Kondom war mir natürlich ein Begriff, das
Wort Kondominat hatte ich noch nie gehört.
Nahm es aber zur Kenntnis, ohne meine Wissenslücke
preiszugeben.
Im Laufe der Zeit lernte ich „meine" Autoren
immer näher kennen. Und immer wieder kamen
die Gespräche auf Carsten Kohlmann. So
erfuhr ich vieles über ihn und seine eigene
außergewöhnliche Geschichte:
1987 erschien die siebte Ausgabe der D'Kräz
mit einem Beitrag über „Schramberg im
Deutsch-Französischen Krieg 1870/71". 1987,
das war die Zeit von Alfons Brauchle, von Franz
Fehrenbacher und von Robert Ditter: die
damaligen Kompetenzen der lokalen Geschichtsschreibung
. Und in dieser Zeit machte
ein gerade mal 15-jähriger Gymnasiast mit
eigenen Forschungsergebnissen auf sich aufmerksam
: Es war Carsten Kohlmann, der erstgeborene
Sohn der neuen Großen Kreisstadt
Schramberg am 3. Januar 1972. Einer der markantesten
Kohlmann-Vertreter in der Stadt war
sein Ur-Ur-Großvater Jakob Kohlmann, der ehemalige
Wirt des Gasthauses „Hammerhäusle".
Als wäre für ihn dieses Ereignis zur Verpflichtung
geworden, begann ein Leben, das sich beispiellos
der lokalen Geschichtsarbeit verschrieben
hat.
Geboren wurde ein Jäger und Sammler. Schon
als 12-Jähriger stöberte er auf den Dachböden
und Bühnen seiner Verwandtschaft, nahm mit,
was für ihn von Interesse war.
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