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im Schramberger Stadtarchiv. Nach über vier
Jahren Spurensuche trug G.S. 1976, anlässlich
des 30. Jahrestages der Wiedergründung der
Schramberger SPD, seine Sammelergebnisse
vor. Das Thema war begrenzt auf die Zeit im
Kaiserreich. Die Resonanz war zwiespältig. Der
Vortrag gefiel den alten Genossen nicht unbedingt
. Sie wollten vielmehr etwas über die Zeit
der Weimarer Republik hören. Davon aber
fühlte sich G.S. überfordert.
Ermunterung zu weiterer Forschungsarbeit
und ein Angebot zur Hilfe erfuhr er von Winfried
Neff (1938-1992). So entstand 1978 zum
90-jährigen Bestehen der Schramberger SPD
die Festschrift „Rotliegendes". Weitere Nachforschungen
zu dem Thema führten in das
Staatsarchiv Sigmaringen, in die Staatsbibliothek
Stuttgart, in die Archive von Schwenningen
-Villingen, Furtwangen und anderswo. Die
Bestandssammlung von G.S. nahm allmählich
an Umfang zu. Auf der Basis dieser neu gewonnenen
Materialien entstand eine Reihe weiterer
Festschriften, so zu Jubiläen der SPD, der IG
Metall und der Arbeiterwohlfahrt.
Etwa ab 1990 stellte G.S. fest, dass ein junger
Historiker anfing, in seinem ureigenen Gebiet
zu „wildern". In der Lokalpresse erschienen
immer wieder Beiträge, die sich mit Themen
zur Arbeiterbewegung in der Industriestadt
Schramberg befassten.
Der junge Autor war Carsten Kohlmann, und
G.S. musste neidlos anerkennen, dass dieser
junge Mann, gründlicher als er selbst, Recherche
betrieb, dass der Ansatz des „Konkurrenten
" ein wissenschaftlicher war, während er,
G.S., noch immer versuchte, über die Historie
politische Inhalte zu transportieren.
Es war denn auch unvermeidlich, dass sich beide
irgendwann trafen und sich gegenseitig abtasteten
und austauschten. Dies war der Beginn
einer künftigen, auf freundschaftlicher
Basis getragenen Zusammenarbeit. In der Folgezeit
war es Carsten Kohlmann, der den Beständen
von G.S. eine „herausragende stadtgeschichtliche
Bedeutung" beimaß und immer
wieder Materialien hierzu beisteuerte.
Gemeinsame Überlegungen führten dann dazu
, dieser inzwischen beträchtlichen Sammlung
von Dokumenten und Zeugnissen der Arbeiterbewegung
einen institutionellen Rahmen
zu geben.3
Das Archiv-Statut
Zu dem institutionellen Rahmen, wie es den
beiden Archivgründern vorschwebte, gehörte
ein Träger, ein Archivstatut sowie die Festlegung
auf einen Namen. Der Träger, der SPD-
Ortsverein Schramberg, war gleich gefunden,
sind doch wichtige Materialien wie Protokollbücher
und Geschäftsakten Vereinseigentum.
Das Archivstatut umfasst bewusst nur wenige
Paragraphen und wurde im Juli 1998 vom SPD-
Ortsverein gebilligt.
Festgelegt wurde darin der Zweck und das Aufgabengebiet
des Archivs, zu welchem neben
der Sammlung von Objekten, Zeugnissen und
Dokumenten aus der Arbeitswelt und den Organisationen
der Arbeiterschaft auch die Aufarbeitung
lokaler und regionaler Geschichte der
Arbeiterbewegung gehört. Festgelegt im Statut
ist ebenfalls die Gewährleistung der politischen
Unabhängigkeit gegenüber dem Träger.
Die Bestände des Archivs können dabei von
jedem Interessenten, der dem demokratischen
Gedankengut verpflichtet ist, eingesehen werden
. Ein weiterer Punkt regelt die Sperrfrist von
Parteidokumenten. Bei einer eventuellen Auflösung
des Archivs sollen die Bestände dem
Schramberger Stadtarchiv oder Stadtmuseum
übergeben werden. Ausgeschlossen davon sind
natürlich Leihgaben.
Die Namensgebung
Firmierte man anfangs noch unter dem Namen
SPD-Archiv mit dem Zusatz „Archiv der Arbeiterbewegung
in der Industriestadt Schramberg
", so nahm mit der Zeit der Gedanke Gestalt
an, das Archiv nach einem bekannten und
für seine Heimatstadt verdienten Schramberger
Sozialdemokraten zu benennen. Beide Archivgründer
kamen dabei überein, dass es keine
geeignetere Persönlichkeit als Albert Bauer
geben könnte.
Albert Bauer war einer der bedeutendsten und
bekanntesten Vertreter der Schramberger Arbeiterbewegung
. Auf vielen Gebieten war er
führend und vorbildlich tätig:
— langjähriger SPD-Kommunalpolitiker
— Mitglied der verfassungsgebenden Landesversammlung
im Volksstaat Württemberg
— überzeugter Gewerkschafter
— Gründer der Arbeiterjugendbewegung
— Gründer der Arbeiterwohlfahrt
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