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projiziert. Menschen, die nicht gerade über
visionäre Gaben verfügen, erscheint diese Entwicklung
deshalb als linearer Vorgang. Da Entwicklungen
indessen oft exponentiell verlaufen
, ist die Gefahr einer Fehleinschätzung
bereits vorgegeben. Ein Beispiel einer exponentiell
verlaufenden Entwicklung und der
damit verbundenen Fehleinschätzung ist die
Transistortechnologie, die auch den Uhrenbau
revolutionierte.
Auf dem Weg zum Mega-Chip
Nach der Erfindung des Transistors im Jahre
1947 erfolgte mit der so genannten Planartech-
nologie ein weiterer wesentlicher Entwicklungsschritt
. Er führte zur Herstellung von integrierten
Schaltungen (IC), welche mehrere
Bauelemente in sich vereinen.
Die erste integrierte Schaltung wurde 1961
realisiert, sie bestand aus vier Transistoren und
zwei Widerständen. Die weitere Entwicklung
verlief exakt nach einer Exponentialfunktion.
Jahr für Jahr gelang es, die Integrationsdichte,
d. h. die Anzahl der aktiven Elemente (Transistoren
, Dioden), die auf einem IC bzw. Chip untergebracht
werden können, zu verdoppeln.
Um das Jahr 1970 begannen bereits verschiedene
Elektronikfirmen, für Taschenrechner
Chips zu entwerfen, 1984 wurde die Einmil-
lionengrenze erreicht: Der „Megachip" wurde
Realität.8
Diese rasante Entwicklung wurde weder von
den Technikern, noch den Managern der Uhrenindustrie
, noch von den mit der Zeitmesskunde
beschäftigten Wissenschaftlern vorausgesehen
.
„Die Chip-Revolution begann, und keiner
bemerkte es", befand 1996 in einem Rückblick
die Frankfurter Rundschau. Sie bezog sich auf
eine Anzeige in der Zeitschrift „Electronik
news" - November 1971 -, in welcher die Firma
Intel einen Mikroprozessor vorstellte, der
offensichtlich damals noch von niemandem
gebraucht wurde.
Erst Mitte der 70er-Jahre ging es dann Schlag
auf Schlag.9 Für die deutsche Uhrenindustrie
bahnte sich eine Zäsur an. Modernisierung und
Fortschritt in der Entwicklung von Uhren
gingen in der Folgezeit nicht mehr von der
Uhrenindustrie, sondern von Elektronikfirmen
aus, die wie Texas Instruments, Fairchild u. a.
Mikrocbip für Taschenrechner.
künftig selbst kräftig auf dem Uhrenmarkt mitmischten
.
Als 1967 Junghans-Techniker ihr Spitzenprodukt
„Astro-Chron", eine Tisch-Quarzuhr auf
den Markt brachten, konnten sie zu Recht stolz
auf ihre Leistung sein. Was sie aber nicht wus-
sten war, dass sie sich einer bereits veralteten
Technik bedienten. So waren die Teilerstufen
der „Astro-Chron" - so genannte T-Flip-Flops -
in herkömmlicher Technik, diskrete Elemente
auf Leiterplatten, ausgeführt. Die Ausmaße
betrugen 3,2 x 3,5 Zentimeter.
Junghans versuchte diese Teilerstufen mit
Kunststoff zu ummanteln und als Elektronikbausteine
auf den Markt zu bringen. Die oben
erwähnte erste integrierte Schaltung von 1961
war bereits ein Flip-Flop mit einer Fläche von
nur wenigen Quadratmillimetern.
In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf
den Forschungs- und Entwicklungsbereich der
Firma Junghans. Eine eigenständige Entwicklungsabteilung
existierte bei Junghans bereits
in den 40er-Jahren. Der Leiter in den 50er-Jah-
ren war, bis zu seinem Weggang an die TH-
Stuttgart als ordentlicher Professor und Leiter
des Instituts für Uhrentechnik und Zeitmesskunde
(UTI), Dr. Günther Glaser. Sein Nachfolger
bei Junghans wurde 1963 Dr. Friedrich
Aßmus, Diplomingenieur für Maschinenbau.
Dr. Aßmus war zuvor wissenschaftlicher Mitarbeiter
am UTI. Der mit der Entwicklung beschäftigte
Personenkreis umfasste bei Junghans
bei sehr weiter Auslegung maximal 50
Mitarbeiter.
Die Entwicklungsabteilung bei Junghans gliederte
sich in Prüf labor, Entwicklungslabor, die
Sportzeitmessung, Patentabteilung und Kon-
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