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Zahlend ngaben: Presse a uswertu ng.
die gesamte Entwicklung und Produktion auf
Quarzuhren umgestellt. Weniger rosig als die
Uhrenindustrie selbst sah man deren Lage
Anfang des Jahres 1972 im baden-württembergischen
Wirtschaftsministerium. Dr. Hans-Otto
Schwarz (SPD), Wirtschaftsminister, sah bereits
die Strukturkrise voraus.
Indikatoren für ihn waren:
— Produktion und Absatz der Branche halten
seit Jahren mit der Entwicklung der übrigen
Industrie nicht mehr Schritt.
— Die Auslandsindustrie hat ihre Marktanteile
stark erhöht, der Export deutscher Kleinuhren
stagniert.
— Die Auslandskonkurrenz hat günstigere Betriebsgrößen
oder günstigere Formen der
Zusammenarbeit entwickelt.
— In Frankreich und in der Schweiz, wo ähnliche
Strukturen herrschen, sorgt der Staat
mit kräftigen Eingriffen zur Wettbewerbsverbesserung
.
Dr. Hans-Otto Schwarz sah Handlungsbedarf
für ein Uhrenprogramm des Landes. Wirtschaftsförderung
sollten dabei nicht einzelne
Betriebe erfahren, sondern Gemeinschaftsprojekte
. So sollten gefördert werden:
— Gemeinschaftliche Forschungs- und Entwicklungspro
j ekte,
— Gründung von Gesellschaften die Absatz
und Werbung übernehmen,
— Gemeinschaftswerbung unter Voraussetzung
, dass sich der größere Teil der Unternehmen
daran beteiligt, durch das Land,
Kleinuhren Produktion in Deutschland
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1970 1975 1980 1984 1987 1990 1992
Jahre
Zahlenangaben: Presseauswertung.
— Einzelvorhaben, Beispiel: gemeinsames Re-
montagewerk für Kleinuhren.
Das Programm sah ein Zusammenrücken der
Uhrenindustrie vor, bei der neue Formen der
betrieblichen Zusammenarbeit erreicht werden
sollten, ohne jeglichen staatlichen Dirigismus
, ohne dass die Selbstständigkeit kleinerer
Betriebe aufgegeben wird.30
Ein gutes Programm, das die folgende Landesregierung
in der Schublade verschwinden ließ.
Nach dem Konkurs der Uhrenfabrik Kaiser in
Villingen mahnte der IG-Metall-Bevollmächtigte
von Villingen-Schwenningen, Erich Mayer,
gegenüber der Landesregierung die Einlösung
des „Uhrenprogramms" von 1972 an.
Die IG Metall rief damals zu einem Schweigemarsch
durch die Stadt auf, an dem über 3000
Menschen teilnahmen. Im Wissen, dass es sich
bei Kaiser nicht um einen isolierten Fall handelt
, skandierten sie: „Heute ihr - morgen wir."
Eine am 6. Juli 1974 abgehaltene Uhrenarbeiter
-Konferenz forderte die Landesregierung
erneut auf, ihr „Uhrenprogramm zu verwirklichen
", sparte aber auch nicht mit der Kritik
am Hauptvorstand der IG Metall. Der neue
Wirtschaftsminister, Dr. Rudolf Eberle (CDU),
reagierte zunächst „äußerst sauer" und versuchte
, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten
der Uhrenindustrie der Bundesregierung anzulasten
. Kurz danach ließ er der IG-Metall-
Bezirksleitung mitteilen, „dass die im Uhrenprogramm
angebotenen Hilfen jederzeit verfügbar
waren und sind".
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