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Den „Schwarzen Peter" gab er an die Uhrenindustrie
weiter, die „leider hiervon bis jetzt
kaum Gebrauch davon machte". Dies verleitete
den IG-Metall-Bezirksleiter Franz Steinkühler
zur Bemerkung, „... die Uhrenindustrie
will sich auf Kosten der Arbeitnehmer noch
ein Weilchen zu Tode konkurrieren, bis am
Schluss nur noch ein paar Starke übrig bleiben
, die auf dem Markt jeden Preis diktieren
können"31. Franz Steinkühler irrte, denn am
Ende blieb kein Starker mehr übrig.
Schwenninger Gewerkschafter ließen in der
Folgezeit nicht mehr locker. Auf einer Reihe
von Konferenzen beschlossen sie einen Forderungskatalog
für die Region Schwarzwald-
Baar-Heuberg. Hauptpunkte dabei waren:
— Kredite der Landesbank für die Uhrenindustrie
,
— Erweiterung der Kurzarbeiterunterstützung
von 12 auf 24 Monate,
— Keine Entlassungen ohne Sozialplan,
— Regionale Wirtschaftsförderung für die
Schaffung neuer Arbeitsplätze,
— Schaffung einer Innovationsforschungs-
stelle im Verbund mit der Ingenieurschule
Furtwangen und der Feintechnikschule in
Schwenningen.
An den Hauptvorstand der IG Metall erging die
Aufforderung, sich den Problemen der Uhrenindustrie
anzunehmen.32 Der Gewerkschaftsschiene
, der Bundesminister für Forschung
und Technologie (BMFT) Matthöfer kam ja aus
der Gewerkschaftsbewegung, ist es vermutlich
zu verdanken, dass das BMFT sich mit der
Uhrenbranche befasste. So kam es zu einer
Reihe von Studien über „Technologie und
Markttendenzen in der Uhrenindustrie" wie
auch über die „Auswirkungen der Elektronik
auf die Arbeitsplätze und Unternehmen". Verantwortlicher
Träger im Auftrag des BMFT war
das VDI-Technologiezentrum, das Klein- und
Mittelunternehmen bei der Anwendung der
Mikroelektronik bundesweit unterstützte.33
Die Studien enthielten eine Fülle von Fakten und
zeigten Defizite auf, so Lücken im Marketing-,
Produkt- und im Produktionsbereich. In den vorherrschenden
autoritären Betriebsorganisationsstrukturen
der Uhrenindustrie sah man die
Gefahr von negativer Auswirkung auf die Mitarbeiter
und damit auf die Unternehmen. Die
Folge sei „private Lethargie" bei den Arbeitnehmern
. „Ein verwertbares kooperatives For-
schungs- und Entwicklungspotenzial" sah man
somit nur bei 25 Prozent der Arbeitnehmer,
davon seien nur 11 Prozent schnell aktivierbar.
Festgestellt wurde, dass bereits vor Eintritt der
Elektronisierung der Uhr Qualifikationsdefizite
vorhanden waren und dass überwiegend „innerbetriebliche
Faktoren" für das Uhrendebakel
verantwortlich seien. Die Studien zeigten
nicht nur Defizite, sondern warteten mit einem
Maßnahmenkatalog auf, der dazu beitragen
sollte, sowohl die Existenz der Unternehmen
als auch die Zahl der Arbeitsplätze zu
sichern. Dazu gehörte die Intensivierung von
Vertrieb und Marketing und des Exports und
die Schaffung von Gemeinschaftsmarken.
Zur Schließung der technologischen Lücke im
Produktbereich wurde empfohlen:
— Entwicklung eines Einheits-Quarzmoduls,
— gleiche Gehäuse für Quarz- und Nichtquarzwerke
,
— systematische Programmbereinigung und
Kooperation mit Elektronikproduzenten.
Die Empfehlungen im Produktionsbereich sahen
vor:
— Ermittlung von Modellproduktionsprozessen
,
— Entwicklung von Automaten, speziell für
kleine und mittlere Unternehmen,
— Hilfe bei der Auswahl von Produktionsanlagen
und die Beibehaltung des Werkzeug-
und Vorrichtungsbaus,
— permanente Schulung des Betriebspersonals
.
Beim Eintreffen optimistischer Erwartungen
würde somit der Rückgang der Arbeitsplätze
von 1977 bis 1985 auf 26 Prozent zu begrenzen
sein. Dank einem Zwischenhoch, in dem sich die
Uhrenindustrie ab 1984 befand, traf diese „optimistische
" Annahme dann auch ein. Die Studien
mögen das Handeln der Verantwortlichen in der
Uhrenindustrie mit beeinflusst haben. Mitte der
1980er-Jahre jedenfalls ist eine Konzentration
und eine Kooperation der Uhrenfirmen untereinander
festzustellen. Festzustellen ist ebenso
eine Programmbereinigung.
Firmen wie Junghans und Kienzle, einst Voll-
sortimenter, beschränkten sich auf einzelne
Segmente. Kienzle, 1972 die noch meistverkaufte
Armbanduhrmarke in Deutschland, zog
sich 1984 aus dem Kleinuhrenmarkt zurück.
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