Museums- und Geschichtsverein e.V. Schramberg, [ohne Signatur]
D'Kräz: Beiträge zur Geschichte der Stadt und Raumschaft Schramberg
Schramberg, 25.2005
Seite: 173
(PDF, 62 MB)
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ten lag zunächst eindeutig bei der Quarzuhr.
Doch bereits 1981 merkt Hideaki Moriya, Direktor
von Seiko, an: „Unsere Quarzuhren gehen
zwar hundert Mal genauer, aber mechanische
Uhren wirken menschlicher, und dafür
zahlen die Leute."39 Eine Erkenntnis,die später
auch im mittleren Junghans-Management an
Raum gewann.

Wolfgang Fritz wurde zu einer Neuauflage der
klassischen Junghans J 81 gedrängt. Noch
waren rund zwei Drittel der Werkzeuge hierfür
vorhanden. Fritz, der bei Junghans zwar
regelmäßige „Kreativ Sessions" organisierte,
blockte jedoch ab.40 Obwohl mechanische
Uhren eine Renaissance erfuhren, äußerte er
sich gegenüber der Badischen Zeitung:
„Mechanik in der Uhr ist für uns out."41 Er
setzte weiterhin voll auf die Funkuhrtechnik,
koppelte sich damit aber auch vom Weltmarkt
ab, denn das Marktgebiet der Funkarmbanduhr
umfasste nur den Raum, in dem das Funksignal
des Senders DC 77 empfangen wurde.42
Im Gegensatz zu A. Lange und Söhne gab es für
die J 81 keine „Wiedergeburt einer Legende",
obwohl dieses Werk geeignet gewesen wäre,
sich im oberen Preissegment zu positionieren.
Hermle & Söhne, Gosheim, einer der letzten
Großen, verzeichnete 1997 noch Zuwächse.
Das Überlebensrezept von Geschäftsführer
Gerd Hermle: „Schuster bleib bei deinen Leisten
." Hermle blieb bei seinen mechanischen
Schlagwerken und fertigte fast alles im eigenen
Haus. Die positive Bewertung von Hermle ist
heute überholt. Neueren Presseberichten zufolge
kämpft auch Hermle um den Erhalt der
noch verbliebenen 320 Arbeitsplätze.43
Anhaltender Beliebtheit erfreute sich indessen
- überraschenderweise - die mechanische Kuckucksuhr
. Bei der schwarzwaldtypischen Kuckucksuhr
handelt es sich um ein hochwertiges
Nischenprodukt. Das Erfolgsrezept hieß
auch hier Qualität, Handwerkskunst und Holz
statt Plastik, was bei den billigen Fernost-Imitaten
nicht üblich war.

Die mechanische Uhr allein wäre zugegebenermaßen
kein tragfähiges Konzept für die
deutsche Uhrenindustrie gewesen. Sie hätte
aber zur Sicherung beitragen können, insbesondere
wenn es gelungen wäre, in den Edel-
bereich aufzuschließen. Dazu hätte es einer
stringenten Konzeption bedurft, die erst heute

bei Egana-Goldpfeil Ltd. Hongkong, zu der
Junghans gehört, zumindest in Ansätzen sichtbar
ist.

Der „Luxus-Globalisierer" Hans-Jörg Seeber-
ger, so nannte ihn die „Frankfurter Allgemeine
Zeitung", versucht heute deutsche Wertarbeit
mit internationalem Flair und Luxus zu verbinden
.44 Aus den unteren Preisklassen hält sich
Egana grundsätzlich heraus. So Hans-Jörg See-
berger lapidar: „Das ist nicht unsere Welt." Die
Konzeption Seebergers mag aufgehen. Nur in
Schramberg ist man angesichts des weitergehenden
Personalabbaus skeptisch, ob die noch
wenigen verbliebenen Uhrenarbeitsplätze hier
am Ort erhalten bleiben.

Schlussbetrachtung

Die Quarzuhr erwies sich gegenüber der mechanischen
Uhr in Bezug auf Ganggenauigkeit
weit überlegen. Die Elektronik revolutionierte
dabei nicht nur den Bau von Uhren, sie war
auch ursächlich für eine weltweite Produktivitätssteigerung
.

Die Weltproduktion an Uhren nahm, seit es
Quarzuhren gibt, um das 4- bis 5fache zu.
Durch Massenfertigung ist der Preis gesunken,
Uhren wurden ein Wegwerfprodukt, und nur
wenige Fabrikationsstätten genügen, um den
weltweiten Bedarf zu decken.
Produziert wird heute vornehmlich in Niedriglohnländern
, zu denen Japan schon lange
nicht mehr zählt. Seiko lässt in China produzieren
, die Dufa und Egana-Goldpfeil haben ihren
Sitz, wie bereits angeführt, in Hongkong.
Apologeten der reinen Marktwirtschaft verweisen
deshalb gerne auf die hohen Löhne, die
sie für den Untergang der deutschen Uhrenindustrie
verantwortlich machen.
Sie übersehen jedoch dabei, dass die Uhrenproduktion
in Deutschland nicht nur in Konkurrenz
zu ausländischen Produktionsstätten
stand. Die Uhrenindustrie stand zeitweilig in
Deutschland auch in Konkurrenz zu anderen
prosperierenden Branchen. Bei anhaltenden
Niedriglöhnen wären sicher befähigte Mitarbeiter
abgewandert, die deutsche Uhrenindustrie
wäre dann eben an innerer personeller
Auszehrung gestorben.

Was ist eine Uhr heute noch wert, und wie viele
Uhren braucht letztendlich ein Mensch? Diese
Frage kann leicht zu einer ethischen gera-

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