Museums- und Geschichtsverein e.V. Schramberg, [ohne Signatur]
D'Kräz: Beiträge zur Geschichte der Stadt und Raumschaft Schramberg
Schramberg, 25.2005
Seite: 263
(PDF, 62 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_25/0260
C. Kirchhofer (Cajetan Schaub, Bildhauer):

EIN SCHRAMBERGER KÜNSTLER REIST NACH WIEN

Cajetan Schaub wurde am 17. Juli 1864 in Schramberg geboren. Er war das älteste von neun
Kindern der Eheleute Johannes und Amalie Schaub. Cajetan wurde Bildhauer und eröffnete
1889 ein Atelier für Holz- und Steinbildhauerei sowie eine Werkstätte für Friedhofskunst in
Schramberg. Im Jahre 1890 heiratete er Berta Faist, die Tochter des Hoffotografen Carl Faist.
Cajetan und Berta bekamen 15 Kinder.

Außer seinen künstlerischen und handwerklichen Arbeiten engagierte sich Cajetan auch in
der Politik. Als Mitglied der Zentrumspartei war er über 25 Jahre im Bürgerausschuss und
Gemeinderat.

In späteren Jahren schrieb Cajetan unter dem Pseudonym C. Kirchhofer Gedichte, Prosawerke
und Theaterstücke. So entstand auch ein Reisebericht über Wien, der im „Schwarzwälder Pos-
tillon", dem Unterhaltungsblatt des „Schwarzwälder Tagblattscc, in drei Folgen, jeweils am 4.,
11. und 18. Januar 1925, veröffentlicht wurde. Da es sich um die Wiedergabe eines Originaldokuments
handelt, wurde die damalige Rechtschreibung beibehalten.

Wien, die Stadt meiner Träume. Endlich ist ein
längst gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen,
ich durfte Wien sehen. Wien, wie es weint und
lacht, bei Tag und bei Nacht. Leider hat es reichlich
lange gedauert, ich bin inzwischen 60 Jahre
alt geworden. Vor 30 Jahren wäre es vielleicht
noch schöner gewesen. Vielleicht? Wenn man
mit einem verhältnismäßig jugendlichen Herzen
ausstaffiert ist, dazu die Erfahrungen des gereiften
Mannes besitzt, so hat das sicher viel für sich,
man sieht die Dinge klarer und nüchterner, als so
ein jugendlicher Brausekopf.
Am 19. November mittags fuhr ich zunächst
nach Stuttgart. Als ich die prächtige Halle des
Hauptbahnhofes verließ, empfing mich ein
gewaltiges Schneetreiben mit Regen vermischt.
Da fängt es gut an, dachte ich mir und nehme
den Weg zum Friedrichsbau, um die paar Stunden
vor Abgang des Schnellzuges gemütlich zu
verbringen. Der Zweck meiner Reise war ja
nicht nur Wien zu sehen, liebe Verwandte zu
besuchen, es sollte auch eine Erholungsreise
sein, nachdem ich 2 Jahre nicht mehr ausgespannt
hatte.

Nach Mitternacht 1.25 Uhr bestieg ich den
Schnellzug und kam um 7 Uhr morgens in
München an. Nun überlegte ich, ob ich die Reise
unterbrechen, oder weiterfahren sollte. Ein
Blick auf die Straße bewog mich zu letzterem;
der Schnee lag in München über 10 Zentimeter
hoch in den Straßen. Deshalb fuhr ich mit dem

D-Zug um 9 Uhr weiter und langte nach 10-
stündiger Fahrt mit einer kurzen Unterbrechung
an der Paßstelle Salzburg, abends 7 Uhr in Wien
an.

Nach einem herzlichen Empfang durchwandern
wir vom Westbahnhof aus einige schneefreie
Straßen zur Hermanngasse ins Haus Junghans,
wo ich mein Standquartier für etwa 14 Tage aufzuschlagen
gedachte. Die Firma hat nämlich in
Wien eine Filiale mit Fabrikation, ein großer
5stöckiger Bau mit Hintergebäude, wo Herr E.,
mein Schwager, den Posten eines Direktors mit
gutem Erfolg bekleidet. Ich war natürlich von
dieser 20-stündigen Fahrt sehr ermüdet und
habe mich zunächst einmal gründlich ausgeschlafen
.

Andern Tags begannen meine Wanderungen
durch die Straßen Wiens; von Schnee keine
Spur, dagegen etwas nebelig. Ich bin während
meines I4tägigen Aufenthaltes 5 bis 6 Stunden
gelaufen pro Tag und glaube das Allerwichtigste
gesehen zu haben, um Alles zu sehen, muß man
sich schon jahrelang aufhalten.
Wien, von der prächtigen Donau durchflössen,
ist eine Großstadt ersten Ranges mit annähernd
2 Millionen Einwohnern. Das Gesamtgebiet der
Stadt umfaßt eine Fläche von 27 500 Hektar.
Der Umfang beträgt 100 Kilometer, sieben
Bahnhöfe bewältigen den Verkehr, außer dem
Schiffsverkehr auf der Donau, und 17 große
Kirchen laden die Gläubigen zum Beten ein.

263


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_25/0260