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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_26/0020
Wolber trug dem Oberamt in Oberndorf vor,
Degginger habe mit Tuchwaren schon wiederholt
den Markt in Schramberg besucht und sich
nie in die übliche Ordnung einfügen wollen.
Wolber war der Auffassung, Degginger müsse
sich mit seinem Verkaufsstand bei den Tuchmachern
aufstellen, was der Handelsmann aus
Rottweil offenbar ablehnte. Wolber begab sich
daraufhin aufs Schramberger Rathaus, um sich
zu beklagen, allerdings „ohne Erfolg". Dabei
hatte Degginger auf Anordnung des Oberamts
seinen eigenmächtig eingenommenen Platz
schon einmal verlassen müssen. Aus diesem
Grund ersuchte Wolber nun im Interesse der
Schramberger Handelsleute und der zum Markt
nach Schramberg gekommenen Tuchmacher
„ganz unterthänig", Degginger zu veranlassen,
seinen Geschäften im Rahmen des Schramberger
Marktes an dem für den Tuchhandel vorgesehenen
Platz nachzugehen.
Vom Oberamt in Oberndorf wurde das im
Original schon drei Tage später nach Schramberg
zurückgesandte Schreiben mit dem Bearbeitungsvermerk
versehen, es handle sich
nach gültigem württembergischen Verwaltungsrecht
um einen Vorgang, den nicht das
Oberamt zu entscheiden habe, sondern die örtliche
Verwaltung, sprich, das Schramberger
Rathaus, das auch den Beschwerdeführer entsprechend
unterrichten solle. Wie die Angelegenheit
letztlich entschieden wurde, ist möglicherweise
nicht überliefert, aber wohl auch
von nachrangiger Bedeutung, zumal einige
wichtige Aspekte der Situation allein schon
durch das Schreiben Ferdinand Wolbers deutlich
werden.

Zunächst ist zur Wirtschaftsgeschichte unseres
Raumes festzuhalten, dass bereits um 1820
auch6 Angehörige der eben entstehenden zweiten
Rottweiler Judengemeinde7 mit einiger
Regelmäßigkeit den Markt in Schramberg, wo
vor 1867 anscheinend keine Juden ansässig
waren8, besuchten. Dass dies dort unter der
Konkurrenz nicht unbedingt Begeisterung auslöste
, kann man nachvollziehen - es wäre auch
zwischen christlichen Kaufleuten wohl nicht
viel anders gewesen.

Verstehen könnte man zunächst auch, dass
Wolber und andere Kaufleute es nicht hinnehmen
wollten, dass Handelsmann Degginger
seine Textilien nicht gemeinsam mit ihnen

anbieten wollte. Wenn Degginger dabei tatsächlich
schon von der örtlichen Verwaltung
entsprechend angewiesen wurde, dann hatte
er sich zweifellos daran nicht gehalten und
damit eine „Ordnungswidrigkeit" begangen.
Allerdings wird man sich daran zu erinnern
haben, wie Kaufleute vielfach alles Denkbare
unternommen haben, um nur ja nicht gemeinsam
mit jüdischer Konkurrenz in Erscheinung
zu treten. 1821 waren in Württemberg ja die
Zünfte für Juden noch nicht geöffnet, und auch
in einer Stadt wie im benachbarten Rottweil
taten die dortigen Krämer so manches, um jüdische
Berufskollegen nicht aufkommen zu lassen9
. Wenn demnach Wolbers Antrag an das
zuständige Oberamt widersprüchlich ist, so lag
er inhaltlich auf der Ebene der damals von
württembergischen Kaufleuten oftmals betriebenen
Politik. Die Beschwerde beinhaltete aber
davon unabhängig Punkte, die man durchaus
im Sinne des Antragstellers bewerten kann.
Was sie disqualifiziert, ist jedoch eindeutig der
Stil, mit dem ein vielleicht formal berechtigtes
Anliegen dargestellt wird, auch wenn man sich
die Frage stellen mag, ob Wolber in Wirklichkeit
Degginger mit seinem Stand gar nicht bei
den übrigen Tuchmachern haben wollte, sondern
im Grund seinen Ausschluss vom Markt in
Schramberg betrieben hat.
Da wird Degginger gleich zu Anfang als
„Hebräer Cronenwirth" und nicht mit seinem
Namen angesprochen. Betrachtet man dies als
unbeabsichtigtes Versehen, so wird das Schreiben
Wolbers bald deutlicher. Verständlich ist
vielleicht auch noch, dass Wolber sich offenbar
einseitig absolut sicher ist, wie die Ordnung
auszusehen hat, an die sich Degginger „niemahl
" halten will. Dann allerdings spricht der
Beschwerdeführer eindeutig abwertend von
Degginger nur noch in der Wendung „dieser
Hebräer" und „besagter Hebräer". Was er von
den „Hebräern" hält, wird umgehend nachgereicht
: Sie wollen, so heißt es in dem Schreiben
, „überall den Meister spihlen".
Dass darin ein Vorurteil mit antisemitischer
Tendenz zum Ausdruck kommt, braucht wohl
nicht weiter erläutert zu werden, weil es mit
dem zu klärenden Fall wenig zu tun hat. Oder
umgekehrt: Man wird wohl nicht annehmen
können, dass sich Wolber besonders für ein
kollegiales Miteinander von christlichen und

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