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Josef Hug
Humorige Männer und engagierte Frauen
Nach mehreren erfolglosen Versuchen Eugen
Hugs, das Bürgermeisteramt los zu werden, hat
er schließlich 1959 Erfolg. In einer geheimen
Kampfabstimmung gegen den rührigen
Gemeinderat Adolf Oehler (1901-1982) gewinnt
Gärtnermeister Josef Hug (geb. 1911)
und amtiert zunächst bis 1973. Er hatte bereits
seit 1957 als Ratsschreiber fungiert. Dieses
Amt übernimmt jetzt Wilhelm Brutschin, der
weit mehr als ein Protokollschreiber ist, ähnlich
wie bei Carl Oehler in den zwanziger und
Anton Herzog in den fünfziger Jahren - und im
Gegensatz zum bierernsten Pius Hug - sind
bei ihm die Protokolle mit Ironie gewürzt und
enthalten weit mehr als reine Sitzungsberichte
. Er klebt auch selbst gemachte Fotografien
von festlichen Ereignissen ins Protokollbuch
und lässt so manche Charakterstudie
einfließen. Es ist die Zeit des Aufsichtsbeamten
Willy Ohler (1910-1978), der genau wie
die Stimmungskanone Rudi Ertl viele zündende
Ideen für die Programmgestaltung der
Bürgervereinigung hat. Dies ist auch nötig,
denn im beginnenden Fernsehzeitalter lässt
das Engagement der Freiamtsbürger merklich
nach, was vom Bürgermeister fast in jeder Versammlung
beklagt wird.
Auch in der Sozialstruktur der Mitgliedschaft
und der Freiamtsführung sind in jener Zeit Veränderungen
zu beobachten. Neben Gärtnermeister
Josef Hug sitzt Schreinermeister Josef
Kern (1910-1984) im Gemeinderat. Das Freiamt
öffnet sich auch für die Mittelschicht,
wobei die Handwerksmeister oft Söhne ehemaliger
Fabrikarbeiter sind. Letztlich spiegelt die
Mitgliedschaft der Bürgervereinigung die allgemeine
gesellschaftliche Entwicklung wider.
Dies ist in den sechziger Jahren auch in anderen
kulturellen Vereinen - wie übrigens auch
bei der SPD - zu beobachten. Ein Paradebeispiel
ist der Zusammenschluss der beiden
einst streng getrennten Lauterbacher Gesangvereine
„Frohsinn" (bürgerlich) und „Volkschor
" (Arbeiterschaft) zum MGV „1872" im
Jahr 1965. An dieser Fusion hatten der Freiamtsbürger
Willy Ohler als Vorsitzender des
„Frohsinn" und Gerhard Oehler (geb. 1932),
der Sohn des langjährigen Freiamtsgemeinde-
rats Adolf Oehler, als Vorsitzender des „Volkschor
" wesentlichen Anteil. Gerade im
„Volkschor" waren zahlreiche Unterdorfbürger
vertreten, denen es nicht leicht fiel, plötzlich
mit den Sängern vom „Frohsinn" gemeinsam
zu singen.
Josef Hug wird 1973 von Malermeister Gustav
Glück (geb. 1935) abgelöst, der zwei Jahre
amtiert. Hug - inzwischen Ehrenbürgermeister
- muss 1975 noch einmal antreten, ehe dann
nach einer kleinen Krise im Juni 1977 Hildegard
Riemann (geb. 1935) als Bürgermeisterin
gewählt wird und mit 24 Jahren die längste
Amtszeit als „Gemeindeoberhaupt" absolviert.
Im Jahre 2001 übernimmt Hildegard Riemanns
Tochter Angelika Nowack (geb. 1958) das Bürgermeisteramt
und führt die Bürgervereinigung
bis heute.
In Hildegard Riemanns Amtszeit fallen zahlreiche
Aktivitäten, so wird das in den 70er Jahren
begonnene Sommerfest beim Gänsewegle zu
einem festen Bestandteil im Jahresablauf der
Vereinigung. 1987 erfährt der Platz mit der Einweihung
des Gänsebrunnens - gestiftet vom
Freiamt - eine Aufwertung. Mit viel Mühe hatte
der damalige Bürgermeister Manfred Schlayer
(1934-2005) die wasserspeienden Gänse in
Norddeutschland aufgetrieben, und in einer
Losaktion im Unterdorf trägt die Einwohnerschaft
zur Finanzierung dieses „Wahrzeichens"
bei.
Ein weiteres Wahrzeichen wird 1994 zum
90-jährigen Jubiläum geschaffen. Der Unterdorfbrunnen
an der „Nahtstelle" zwischen
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