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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_26/0057
sehr steil, merkten alle, daß man auf dem falschen
Weg war. Es war gut, dass ganz in der
Nähe ein Bauernhof stand, wo man sich befragen
konnte. Auf deren Rat mussten wir durch
den Wald u. einen tiefen Schnee durchstampfen
, bis wir den richtigen Fuhrweg hatten. Nach
fast wieder einer lA Std. gelangten wir vor die
Höhle.

Uns Mädchen grauste es furchtbar, als wir, vom
Schnee geblendet, in die dunkle Höhle sahen,
wo sich das bleiche Gesicht des Siedlers erhob.
Aber ein freundliches „Grüß Gott" tönte uns
entgegen. Dann rief er: „Woher seid Ihr?" -
„Von Schiltach." - „Sind Jungfrauen dabei?" -
„Ja lauter." - „Es soll eine hereinkommen. Aber
nur eine." - Als wir zögerten, keine wollte die
erste sein, wiederholte er den Ruf. Wohl oder
übel musste nun eine hinein. Und diese war -
ich. Eine schreckliche Angst hatte ich. Aber
seine freundlichen blauen Augen ließen mich
nicht mehr zögern. „Wie heißt Du?" - „Luise" -
„So, so, wie alt bist Du?" - „Achtzehn" - „Mädchen
in diesem Alter habe ich am gernsten hier.
Nun mache Licht. Hier sind Kerzen und
Streichhölzer. - Und jetzt zünde an dem kleinen
Tannenbaum die 3 Lichter an. Sie bedeuten:
Vater, Sohn u. hl. Geist. - Und nun setze Dich
auch auf den Thron dort." - Ich tat alles, aber
hatte doch noch eine gewisse Angst dabei.
Doch darüber war auch bald geholfen, denn ich
wusste ja auch, vor der Höhle stehen die anderen
und schauen herein. Doch kann man das
nur in gebückter Stellung, da die Höhle sehr
nieder ist und man darin nicht aufrecht stehen
kann.

Er lag auf seinem dürftigen Lager nackt nur mit
seinem Mantel zugedeckt. Aber so, daß man keinen
Anstoß daran nehmen kann. Zu Häupten
seines Bettes ist ein selbstgezimmertes Tischchen
, auf welchem er als Dichter seine verschiedenen
Schriftsachen aufhebt. Zu oberst
lag ein frisch beschriebenes Blatt. Er hat eine
schöne Schrift. Da wäre ich froh gewesen,
wenn ich ein wenig Graphologie gekonnt
hätte. Hinter dem Tisch ist der Fels erhöht. Auf
diesem ist der Tannenbaum, dem aber die
Krone abgebrannt ist, eingepflanzt. Neben dem
Tisch ist der Thron, auf welchem ich dann die
Ehre hatte, ihn zu besetzen. Er besteht aus Steinen
, auf denen zu oberst ein einfaches Polster
lag, gefüllt mit Heu. Rechts vom Thron befindet

sich der Herd. Ohne allen Luxus, aus Steinen, so
daß sein kleines Kochtöpfchen gerade Platz
hat. Es wies gerade eingeweichte Erbsen auf.
Zunächst dieses Herdchens ist die sog. „Speisekammer
". Aber auch so einfach wie möglich.
Dorthin legte ich unsere mitgebrachten
Sachen. Er freut sich nämlich sehr, wenn man
ihm was bringt. Aber es dürfen nur Natursachen
sein z. B. Erdnüsse, Feigen, Orangen u.s.w.

- Das ist die ganze Einrichtung. -

Als ich mich gemütlich auf den Thron gesetzt
hatte, begann er: „Hier, Luise, siehst Du mich im
Bett. Ich bin wohl nackt, aber nackte Arme und
Brust sieht man bei Turnern auch. Nicht aber,
daß Du meinst, Du würdest hier Flöhe u. Läuse
holen, solche gibt es bei mir nicht. Ich bin ganz
rein, was bei jungen Mädchen nicht der Fall ist."

- Dagegen wehrte ich mich aber ganz energisch
. „Mein Bett ist, wie Du siehst, ganz einfach
. Es besteht auch aus lauter Sachen, die
nichts Luxuriöses aufzuweisen haben. Zu
unterst sind Steine. Je härter man liegt, um so
gesünder ist man. Auf den Steinen ist Tannreis,
dann kommt ein Sack mit Heu. Auf diesem liege
ich, wie Du siehst. Mein Kopfkissen besteht aus
dem Rucksack, mit dem ich hergewandert bin.
Die Decke über mir ist gefüllt mit Farnkraut.
Und das ist gerade das, was mir das Ungeziefer
abhält. Was meinst Du, in meinen langen Haaren
würden sie sich wohl fühlen?"

Die Verfasserin des Briefes: Luise Schmidtke,
geb. Laib (1908 -1980), aus dem Privatbesitz
der Enkeltochter Angelika Schulz

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