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führten zu Erfolgen. Insgesamt kam die für
damalige Verhältnisse schwindelerregende
Summe von 98,2 Milliarden Mark zusammen.
Fünfunddreißigtausend Mark an
Kriegsanleihen gezeichnet
Wie fast alle anderen, hatte auch die kleine
Schramberger Firma Franz Hettich im Rahmen
ihrer bescheidenen Möglichkeiten über die
vier Kriegsjahre hinweg insgesamt 35.000
Mark an Kriegsanleihen gezeichnet. Als aber
dieser Krieg nach vier Jahren im Schlamm
Nordfrankreichs buchstäblich erstickt war, in
den großen Städten revolutionäre Zustände zu
herrschen begannen, sich der Kaiser nach Holland
abgesetzt hatte und im Land die darniederliegenden
Geschäfte neu in Gang gebracht
werden sollten, wurde die Frage nach der
Einlösbarkeit der gewährten Anleihen zu einer
Überlebensfrage. Jeder ahnte zwar, dass das
Geld mehrfach verpulvert worden war, rein
rechtlich aber musste der Staat, zumindest vorläufig
, für die erhaltenen Anleihen einstehen.
Weil dieser aber, die Leute bekamen es jeden
Tag deutlicher zu spüren, nun wirklich keine
Mittel für eine Einlösung hatte, räumte er seinen
Bürgern eine geringprozentige Anrechnungsmöglichkeit
auf künftige Steuerzahlungen
ein. Damit konnten sich dann auch die
Brüder Hettich ausrechnen, wie viele Jahre es
dauern würde, bis das nominelle Guthaben
abgegolten wäre. Gleichzeitig aber wurde,
jedem deutlich erkennbar, die Wertigkeit der
Mark zusehends geringer. Also musste etwas
unternommen werden. Aber was? Wie konnte
man wenigstens noch einen Teil des in der
Firma dringend benötigten Geldes zurückbekommen
?
In einem Mannheimer Depot
fabrikneue Automobile
Da las Franz Hettich eines Tages in der Zeitung,
dass in einem Mannheimer Depot fabrikneue
Automobile stehen würden, die das kaiserliche
Heer noch während des Krieges bei verschiedenen
Autofabriken bestellt hätte, welche auch
vertragsgerecht gefertigt und geliefert worden
wären, aber nun nach Kriegsende nicht mehr
gebraucht würden. Diese Automobile könnten
im Rahmen einer öffentlichen Auktion mit
Kriegsanleihen bezahlt werden. War vielleicht
damit ein Teil des dringend benötigten Kapitals
zu retten? Zumindest sollte man es probieren
.
August Hettich (1890-1956), der Bruder von
Franz, der als Ingenieur während des Krieges
zu einem der noch seltenen Kraftfahrer ausgebildet
und bis hinunter auf den südlichen Balkan
zum Einsatz gekommen war, setzte sich in
die Eisenbahn und fuhr, die Anleihepapiere
sorgsam in der Tasche verwahrt, hinab nach
Mannheim. Dort galt es sich zunächst einmal
durchzufragen, wo denn diese sagenhafte Automobilauktion
überhaupt stattfinden sollte. Leider
befassten sich die Mannheimer in diesen
politischen Drangtagen des Jahres 1919 mehrheitlich
mit anderen Dingen als überzähligen
Heeresfahrzeugen. Niemand wusste etwas
Genaues. Aber für die Beharrlichkeit eines kernigen
Schwarzwälders gab es auch im revolutionären
Mannheim keine unüberwindbaren
Schwierigkeiten. August Hettich suchte so
lange, bis er fündig wurde. Sie existierten dann
auch tatsächlich, diese Automobile. Militärisch
ausgerichtet in einer Reihe standen sie da:
Fabrikneue „Vierzylinder Motorwagen NSU
8/24 PS". Der fachmännische Blick erkannte
gleich, dass das mit der „Fabrikneuheit" im Großen
und Ganzen schon stimmte. Der Motor
war mittels Handkurbel problemlos zum Laufen
zu bringen und das Chassis sah auch recht
stabil aus. Nur hatte man offensichtlich in
Neckarsulm gleichzeitig mit der Verkündung
des Waffenstillstandes den Hammer weggelegt
und nur noch das Nötigste zu Ende geführt.
Und das wirkte sich dann eben so aus, dass die
NSU-Vierzylinder-Motorwagen (8/24 PS) wie
sie bis 1918 für den Kriegsdienst hergestellt
wurden. Ab 1919 wurde das Modell als „Friedensprodukt
" unter der gleichen Bezeichnung
in einer verbesserten, auf 30 PS ausgelegten
Version geliefert. Quelle:Audi-Werk, Neckarsulm
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