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Trotz des Spitzenprodukts der ATO-Uhr maß
man elektrischen Uhren bei Junghans weiterhin
keine besondere Bedeutung bei. Befürchtet
wurde vielmehr, dass „die elektrischen Uhren
nur unsere Federzuguhren verdrängen werden
."3 Dies kommt auch mengenmäßig zum
Ausdruck. Von den im Berichtsjahr 1935/36
gefertigten 3,179 Mio. Uhren waren nur 11.697
elektrische Uhren, darunter 1.435 ATO-Werke.4
Daran änderte sich nach 1945 zunächst noch
wenig. Dringlicher war es, den riesigen Bedarf
an mechanischen Uhren aller Art zu decken.
Erst ab 1954/55 befasste sich Junghans wieder
mit elektrischen Uhren. So kam es zur Entwicklung
der Electora, Werk 285, einem robustem
, aber etwas plumpen Klappankerwerk.
Eine weitere Junghans-Entwicklung war die
Synchronuhr Werk 288 mit Selbstanlauf. Synchronuhren
wurden nach 1954 wiederum
interessant, nachdem die Behebung von kriegsbedingten
Schäden an den Stromnetzen weitgehend
abgeschlossen, die Stromausfälle seltener
und die Frequenzkonstanz gewährleistet
war. Auf der Basis von Werk 288 wurde bei
Junghans auch versucht, ein Weckerwerk zu
entwickeln.
Auch für den Zeitraum 1950-1960 bleibt festzustellen
: Wesentliche Impulse für den Bau von
elektrischen Uhren gingen nicht von Junghans
selbst aus. Die Einrichtung einer Entwicklungsstelle
, ihre gute personelle Besetzung und
ihre Ausstattung erlaubten es aber, neue Entwicklungen
auf dem Gebiet der elektrischen
Uhrentechnik aufzunehmen und in die Praxis
umzusetzen. Zu den neuen, den Uhrenbau
revolutionierenden Entwicklungen gehörte
dabei die Erfindung des Transistors.
Nachdem der Transistor als elektrisches Bauelement
zur kontaktlosen Steuerung von Strömen
durch die Arbeiten von W H. Brattain und
J. Barden im Jahr 1948 bekannt geworden war,
erkannte Marius Lavet, ein hervorragender
Uhreningenieur im Hause Hatot (Paris), wohl
als Erster die Bedeutung desselben für die
Uhrentechnik. Nach eingehenden Versuchen
trat Marius Lavet 1953 mit Abhandlungen,
Patentanmeldungen und konkreten Anwendungen
für die ATO-Pendeluhr an die Öffentlichkeit
. In Zusammenarbeit mit Marius Lavet
wurde bei Junghans 1955/56 die transistorgesteuerte
ATO-Uhr zur Serienreife entwickelt.
Ebenfalls auf Patentrechten von Marius Lavet
beruhte das Werk 794, ein transistorgesteuertes
Unruhwerk, welches 1961 unter dem Namen
ATO-Mat auf den Markt gebracht wurde.
Transistorgesteuertes Unruhwerk
W 726 von Junghans
Mit diesem Werk sowie den Nachfolgewerken
707 und 726 besaß Junghans damals eines der
fortschrittlichsten Großuhrwerke der Uhrenbranche
. Der intensiven Beschäftigung mit der
Transistortechnik anhand der ATO-Werke war
es dann auch zu verdanken, dass bei Junghans
die Miniaturisierung von Quarzuhren angedacht
wurde und in den Bereich des Möglichen
geriet.
Die Entwicklung von Quarzuhren
Bereits 1880 entdeckten Pierre und Jacques
Curie den piezoelektrischen Effekt. Dieser
besagt, dass an bestimmten Kristallen unter
dem Einfluss einer mechanischen Spannung
(Druck, Zug, Torsion) eine elektrische Spannung
entsteht und umgekehrt beim Anlegen
eines elektrischen Wechselfeldes mechanische
Schwingungen erzeugt werden. Anfang 1932
gelang es Dr. Adolf Scheibe und Udo Adelsber-
ger von der PTR erstmalig, diesen inversen
piezoelektrischen Effekt für den Bau einer
Quarzuhr zu nutzen. Bei Verwendung von Röhren
als elektronische Bauteile waren diese
noch äußerst unförmig, geradezu kastengroß.
Quarzuhren waren im Grunde genommen
nichts anderes als Wechselstromerzeuger von
höchster Frequenzkonstanz. Die Schwingungsfrequenz
der damals eingesetzten Quarze
betrug 60 kHz welche durch drei Frequenzteilerstufen
(Schwingkreise) im Verhältnis 6:1,
10:1 und 3:1 heruntergesetzt wurden. Das
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