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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_26/0073
Alfred Kunz:

„MIT KÜSSEN SEHR VERDÄCHTIG
AUFGEFÜHRET"

Die in Schramberg abgehaltenen Jahrmärkte müssen gern besuchte
Veranstaltungen gewesen sein und nach Aussagen der Köhlerschen
Chronik - zumindest um 1800 - zu den „Nahrungsquellen der
Inwohner"gehört haben.1 Auch die Wochenmärkte wurden schon zu
Alfred Kunz, Beginn des 18. Jahrhunderts aus einem weiten Umfeld von Schram-

Tennenbronn berg besucht. Der Fußweg zum und vom Markt durch Wald und Feld

war oft lang und beschwerlich. Zwischendurch war Erholung nötig,

Abwechslung willkommen.

Über manches aber, das dabei vorgefallen sein mag und das unsere Vorfahren - wie im Reich des
habsburgischen Kaisers Karls VI. (1711-1740), des Vaters von Maria Theresia - mit bitterem
Ernst beschäftigt hat, dürfen wir heutigen Zeitgenossen erheitert schmunzeln. So auch über eine
Episode, ein „peinliches Verhör", aus dem Jahr 1727, das im „Amtsprotokoll der hochherrschaftlich
Bissingschen Cantzley derfreyen Herrschaft Schramberg''2 - während der Herrschaft des Freiherrn
Josef Ferdinand von Bissingen, der 1746 von Kaiserin Maria Theresia zum Grafen erhoben
worden war - dokumentiert ist.

Was war geschehen?

Der Michel Rapp3 und die Müllerin vom Nun-
nenberg4 haben sich, während sie vom Schram-
berger Wochenmarkt nach Hause unterwegs
waren, in des Babeles Hansen Wald geküsst. Da
beide verheiratet sind, gehört sich so etwas
nicht.

Weil die Müllerin trotz ihrer 43 Jahre immer
noch eine attraktive Frau war, der Michel auf
dem Wochenmarkt ein Gläschen oder einen
Humpen zu viel getrunken hatte und außerdem
das warme Frühsommerwetter dazu angetan
war, die Sinne zu verwirren, ist es irgendwie
nachvollziehbar, dass der Heimweg der beiden
Marktbesucher an jenem Tag im Juni 1727
etwas außer der Ordnung verlaufen ist.
Was im Wald geschah, wäre ihrer beider
Geheimnis geblieben, wenn da nicht zur gleichen
Zeit der Proghammer Hans vom Hugs-
wald und der Hardt-Wirt Mathias Fleig, auf der
gleichen Strecke unterwegs gewesen wären.
Diese nämlich haben die Müllerin und den
Rapp beobachtet und - so wird's wohl gewesen
sein - später am Stammtisch in der Hardt-
Wirtschaft genüsslich ausgebreitet, was sie
beobachtet haben oder meinten beobachtet zu
haben: Die beiden hätten sich im Wald geküsst

und seien später hinter einem Busch gelegen,
wo man nur noch die Füße hätte zappeln
sehen. Der Zufall fügte es, dass unter den Wirtshausbesuchern
, die im Hardtener „Adler" ihr
Bier tranken, auch Gäste aus Schramberg zugegen
waren, die das Gehörte bei nächster Gelegenheit
in den Wirtschaften unten im Tal weiter
erzählten. Nach einiger Zeit erfuhr so auch
der Schramberger Oberamtmann von der
Sache.

Dieser5, ein frommer und strenger Mann, hatte
im Auftrag des Freiherrn von Bissingen-Nip-
penburg und der österreichischen Kaiserin
Maria Theresia darüber zu wachen, dass die
öffentliche Moral in Schramberg keinen Schaden
nahm. Ehebruch zum Beispiel wäre ein
Vergehen, das mit schweren Strafen geahndet
werden müsste.

Zwar waren weder der Rapp vom Mühllehen6
noch die Müllerin vom Nunnenberg7 schram-
bergische Untertanen und deshalb nicht
eigentlich der dortigen Jurisdiktion unterworfen
, aber das Delikt, um das es möglicherweise
ging, hatte sich „auf schrambergischem Terri-
torio" abgespielt, und so fühlte man sich
schrambergischerseits zuständig, den Fall genauer
zu untersuchen.

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