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nandkehreri" und „Mühli-Michels-Wib" waren.
Zum besseren Verständnis der von ihr genannten
Häuser gab Karoline Grüner gelegentlich
an, wer diese Häuser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
der Erzählung bewohnte. Die
dabei erwähnten Häuser Zuckschwerdt-Schil-
ling und Brunnenkant befanden sich in der Sängerstraße
14 und in der Hauptstraße 61:
Wir wollen nun wieder auf den Schützenplatz
zu den dort versammelten Männern
zurückkehren. Einige davon waren eben im
Begriff nach Hause zu gehen, als der Nachtwächter
(Schneider Fleig) mit Spieß und
Laterne vom Roßgumpen herauf dem Schützenplatz
zuschritt Der Nagler-Mattis rief ihm
zu: „Schnider, was kunt au an di, daß du
schau so früh uffd'Wach uffziehscht, es ischjo
no nitt e mol ganz Zehni, wursch üs do nit
abbiete wolle!" Der Nagler-Franz spottete nun
über den Schneider, indem er sagte:„Schnider,
gelt wegem Komet bisch du nit so früh uß de
Federe gange, aber weg sellem guete Kimmi
(Kümmel), wo der Bruckbäck der ganz Tag
am Fenster stauh hot, zum deschtlirre, dersell
macht di a!" Der Schneider gab den Spöttern
zur Antwort: „Ihr tätet au Kimmi trinke,
wenn ihr hättet. E Gläsli Kimmi isch au nit
z'verachtet, im Winter g'wärmt er oam, und
im Summer macht er oam guet.Aber ich bin
so wenig wegem Kimmi, als wegem Komet
früher ußem Bett gange der Obed. I mueß es
Mühli-Michels Wib und d'Vörenandkehreri
wecke am halb elfi, sie genn gi wüsche uff
Post. Posthalteri hott mer selber no fest akünd,
i solls nu au zitli wecke, uff elfi tät sie es Esse
na richte!"
Der Spottname „ Verenanderkehreri" kam
daher, weil einmal eine Person ihren Mann
fragte, wie es sein Weib mache, daß sie neben
ihrem Hauswesen immer noch als Wäscherin
in andere Häuser gehen könne. Da gab derselbe
zur Antwort, sie kanns halt tüchtig ver-
enandkehre (vor einanderkehren, einteilen).
Der Spottname übertrug sich noch auf ihre
Nachkommen. Der Stricker-Lorenz und der
Schneckenburger gingen nun, nachdem alle
einander „Gute Nacht"gesagt, den Roßgumpen
hinunter ihrer Wohnung zu (Metzger
Zuckschwerdt und Maler Schilling), während
der Völtis und Nagler-Mattis ihr gemeinsam
bewohntes Haus im Flecken (heute Brunnenkant
) aufsuchten, der Nachtwächter aber der
Gaishalde zuschritt.
Bei der Veröffentlichung der Erzählung „Der
Ruech" erkannte Robert Ditter, dass Karoline
Grüner in der Tradition der „Bilderbogen" des
19. Jahrhunderts schrieb, in dem sie Bild um
Bild aneinanderreihte. Nach dem Schützenplatz
folgt in der Erzählung als nächstes Bild das
Gasthaus Post mit seinem damaligen Besitzer
Johannes Langenbacher (1773-1846) und seiner
Ehefrau Theresia Langenbacher (1772-
1838). Bei der Darstellung dieses Bildes
erscheinen zwei Frauen, die im Gasthaus Post
bei der Wäsche helfen und sich wie die meisten
anderen Personen der Erzählung ebenfalls
identifizieren lassen: die „Waiblerin" = Brigitta
Waibel (1783-1819) und die „Gläsli-Metzgerin"
= Maria Gläßle (1770 -1839). Erwähnt wird ferner
ein Geistesbehinderter mit dem Beinamen
„Hopele-Daiti", dessen Name nicht mehr zu
ermitteln ist. In der Waschküche des Gasthauses
Post machen die beiden Waschfrauen eine
aufsehenerregende Entdeckung:
Lm Gasthaus zur „Post" brannte ein dickes
Kerzenlicht durch den Lichtstock hinunter, als
die Posthalterin eine große Schüssel voll
geschmälzte Kartoffelsuppe in die geräumige
Wirtsstube brachte und auf den appetitlich
gedeckten Tisch stellte. Als sie sah, wie weit
die Kerze schon heruntergebrannt war, rief
sie: „Johannis, siehsch it, wie wit daß des
Liecht nab brennt isch, es isch doch e Chriz
Plog mit dier, daß du allewil verschlofsch,
wenn in d Stube kunsch. "Jetzt regte sich der
Posthalter, durch den Ruf des Weibes erweckt,
in dem ledernen Großvater-Sessel. Nachdem
er seine Augen ausgerieben und sich vom Sessel
erhoben und dem Licht genähert hatte,
sah man, daß aus dem vollen blühenden
Gesicht ein paar gutmütige blaue Augen
strahlten, die bezeugten, daß er durch das
Erwecktwerden in seiner Seelenruhe nicht
gestört worden war.
Gutmütig sagte er zur Posthalterin: „Du
mueßt nit schelte, daß i es Licht nah hann
brenn lau. L verschlof halt jedesmol, wenn nie-
med meh mit mier schwätzt. L woaß wohl,
daß i koan guete Hoamhirt bin, wege dem
hann i di in Hasle dünne gholt, weil i gewißt
hann, daß mit dir älles, Hus und Feld guet
versorget isch. Mer schmeckt erst gar nint von
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