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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_28/0060
hatte man diese Versammlung vorbereitet. Die
Gründungsversammlung wählte Ludwig Stemmer
zum Turnwart; ein Vorsitzender wird nicht
erwähnt, sodass man annehmen darf, dass der
Turnwart diese Führungsposition einnahm.
Auch zwei Vorturner für die beiden zu bildenden
Riegen und ein Kassier wurden gewählt.
Als Schriftführer fungierte der damals zwei-
undzwanzigjährige Constantin Schübel, sein
Amt ist jedoch im Statut nicht erwähnt.
Im einfach gehaltenen Gründungsstatut wurde
festgestellt, dass der Turnverein den Zweck hat,
„den Körper in seinem Ganzen und seinen einzelnen
Theilen naturgemäß zu kräftigen, und
den Geist muthig und ausdauernd zu
machen". Außerdem wurde geregelt, dass die
Mitgliedschaft von über Achtzehnjährigen
ohne „körperliche Missbildungen" beantragt
werden kann. Natürlich dachte niemand daran,
weibliche Mitglieder in den Verein aufzunehmen
. Über die Aufnahme von Neumitgliedern
sollte die absolute Mehrheit sämtlicher Mitglieder
entscheiden. Neu aufgenommene Mitglieder
hatten ein Eintrittsgeld von 48 Kreuzern zu
entrichten, der wöchentlich zu entrichtende
Vereinsbeitrag betrug 9 Kreuzer. Die Satzung
wurde zunächst von achtzehn Mitgliedern
unterzeichnet, weitere fünf Unterschriften sind
mit späterem Datum - die letzte erfolgte im Juli
1859 - angefügt.

Die Aufgabe eines Turnwarts bestand gemäß
§ 4 der Satzung darin, die Turnübungen zu leiten
. Man kann sich vorstellen, dass eine solche
Aufgabe für einen jungen Arzt eine große Beanspruchung
bedeutete. So ist es wohl zu erklären
, dass Ludwig Stemmer nur ein Jahr lang an
der Spitze des Vereins stand. In der Versammlung
vom 21. Mai 1859 lehnte er die Wiederwahl
zum Turnwart wegen zu hoher beruflicher
Belastung ab, und für die Turner folgt
eine Phase der Frustration und Stagnation.
Rasch wechselten die Führungspersonen in
den nächsten Monaten und zeitweilig musste
der Turnbetrieb wegen mangelhafter Teilnahme
an den Übungsstunden eingestellt werden
.

Die Gründe für diese Krise im ersten Jahr nach
der Gründung waren vielfältig. Das Bekenntnis
zur Turnerbewegung war damals zugleich Ausdruck
einer freiheitlichen Gesinnung, d. h.
eines Strebens nach Demokratie und der Befürwortung
der Einigung Deutschlands, das
immer noch aus über dreißig souveränen Einzelstaaten
bestand. Der angesehene Bürger
Dr. Stemmer als Galionsfigur des neuen Vereins
rief in konservativen Kreisen Schrambergs viel
Widerspruch hervor.5 Die Gegnerschaft dieser
Kreise in Schramberg hat nach einer Welle
von Beitritten in den Anfangsmonaten - der
Wochenbeitrag konnte auf 6 Kreuzer gesenkt
werden - bald zu Austritten geführt und den
jungen Verein erheblich erschüttert. Auch die
große Politik trug zur Schwächung des Vereins
bei: Der Krieg zwischen Preußen und Österreich
von 1866, bei dem Württemberg auf der
Seite Österreichs stand, entzweite auch die Mitgliedschaft
des Turnvereins, der auf elf Mitglieder
schrumpfte. Es sollte bis zum Ende der
sechziger Jahre dauern, bis sich der Verein von
der Krise erholte. Erst nach der Stadterhebung
Schrambergs 1867 etablierte sich der Turnverein
mehr und mehr im gesellschaftlichen
Leben der Stadt.

Der Name Ludwig Stemmer taucht in jenen
Zeiten in der Vereinschronik nicht mehr auf. Es
gab neben der beruflichen Belastung auch persönliche
Gründe für sein Kürzertreten beim
gesellschaftlichen Engagement.

Heirat und Familiengründung

Stemmer wandelte nämlich in jenen Tagen auf
Freiersfüßen. In Schramberg war man überrascht
, als Stemmer nach einer Reise in die
Schweiz plötzlich als frischgebackener Ehemann
auftrat. Eine neunzehnjährige junge Frau,
Rosalie Bühler, Gastwirtstochter aus Zürich,
beendete alle Spekulationen der Schramberger
Damenwelt auf eine gute Partie mit dem Junggesellen
.

In Friedrichshafen schloss der Katholik am 1.
Juli 1859 die Ehe mit der um zwölf Jahre jüngeren
Kalvinistin, die ihm in den 1860er Jahren
vier Kinder gebar. Die Tochter Hedwig (1860-
1941) und der Sohn Eugen (1862-1918) wuchsen
bis 1870 in Schramberg auf, während zwei
weitere Kinder, Guido Raimund (geb. 1864)
und Klara (geb. 1869) bereits in ihrem ersten
Lebensjahr starben.

Rosalie Stemmer, obwohl protestantische
Christin, erzog die Kinder im katholischen
Glauben und ging mit ihnen regelmäßig zum
katholischen Gottesdienst. In ihrer Schramber-

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