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Ausbildung 211m Fotografen
Nach Beendigung der Schulzeit begann der
Vierzehnjährige 1907 eine Fotografenlehre in
Temesvar, damals in Ungarn, heute in Rumänien
gelegen. Der Beruf eines Fotografen war
damals neu. Er galt als modern und kam den
Neigungen von Wilhelm Weiss, der sich für
alles Schöne aufgeschlossen zeigte, entgegen.
Bei seinem Lehrmeister war er in Kost und
Quartier und musste sich daher, wie damals
üblich, z. B. auch um Kleider und Schuhe seines
Lehrherren kümmern. Die Gesellenprüfung
legte er 1910 nach den üblichen drei Lehrjahren
ab. Eine erste Anstellung fand er dann in
Berlin beim Fotoatelier des damals europaweit
wohl größten Warenhauses Wertheim. Durch
seinen Berlinaufenthalt wollte der junge Wilhelm
Weiss auch seine Deutschkenntnisse verbessern
und dort entdeckte der offensichtlich
auf breiter Ebene künstlerisch interessierte
junge Mann auch seine Leidenschaft für die
Oper.
Existenzgründung/selbstständig in
unruhiger Zeit
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der
junge Fotograf 1914 in die k.u.k. (königlich und
kaiserliche) österreichische Armee eingezogen
. Er konnte in der Vermessungsabteilung
seinen Wehrdienst ableisten und dort auch
seine berufliche Qualifikation zum Einsatz bringen
. Er fertigte vor allem Geländeaufnahmen
an, die dann von Spezialisten in geografische
Karten eingearbeitet wurden. Um aussagekräftige
Aufnahmen zu erhalten, bestieg er nicht
nur Berge sondern benutzte auch Flugzeuge!
Nach Kriegsende 1918 (Waffenstillstand am
11. November 1918) eröffnete er 1919 in dem
von inneren Unruhen erschütterten Budapest
ein Atelier für Porträtaufnahmen. Da Fotos, insbesondere
Porträtfotos, zu der Zeit gefragt
waren - es war „in", sich fotografieren zu lassen
- wagte es Weiss, bald auch am Plattensee ein
weiteres Fotogeschäft einzurichten. Beruf und
Neigung konnte er miteinander verbinden,
indem er viel für die Budapester Oper arbeitete
und sich auf Tanzaufnahmen spezialisierte.
Neben seinem Beruf nahm der künstlerisch
begabte und vielseitig interessierte Wilhelm
Weiss auch Gesangsunterricht. Anfangs konnte
er sich gar eine Karriere als Sänger vorstellen.
Wilhelm Weiss im Jahr 1923
Die Intrigen hinter den Kulissen, die er jedoch
auch bald kennenlernte, brachten ihn davon
ab, dieses Ziel weiterzuverfolgen. Wirtschaftliche
Unsicherheiten führten 1922 dazu, dass
Wilhelm Weiss seinem Freund Stefan Gerle
nach Bukarest, das wieder zur Hauptstadt, jetzt
„Groß-Rumäniens", aufgestiegen war, folgte.
Dort arbeitete er in der Zeit von 1922 bis 1924
im Atelier des Kaufhauses „Fotoglobe", das
zugleich Hoflieferant des Königshauses war. In
Bukarest lernte er dann auch Elisabeth Faist,
seine künftige Frau kennen, die zusammen mit
zwei ihrer drei Schwestern im Büro F.S.C. Kolben
, einer Kleinuhrenvertretung, arbeitete. Elisabeth
Faist ist die älteste Tochter des Geschäftsmanns
Erhard Faist aus Schramberg, einem
Bruder des Schramberger Fotografen Carl Faist.
Erhard hatte 1922 in Bukarest die Junghans-Vertretung
für Rumänien übernommen. Ein ungarischer
Freund hatte Wilhelm Weiss bei den
Faists eingeführt. 1924 heirateten Wilhelm
Weiss und Elisabeth Faist in Bukarest. 1926
wurde der Sohn Walter und 1932 die Tochter
Hildegard geboren.
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