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in hellen Tönen die Stunden verkünden.
.. .Auch die Ziffertafel an der Vorderfront des
Gebäudes ist bereits angebracht, doch dürften
noch einigen Tage vorübergehen, bis wir hier
die Stunden ablesen können."
Damit kann nur die astronomische Uhr gemeint
sein.
Die astronomische Uhr wird in Betrieb
genommen — und ist falsch eingestellt
Rechtzeitig zu dem in der Uhrenstadt Schram-
berg abgehaltenen Verbandstag der Mitglieder
des Landesverbandes Württembergischer Uhrmacher
am 6. und 7. Juli 1913 konnte die astronomische
Uhr am neu erbauten Rathaus in
Betrieb gesetzt werden.6)
Wie aus einer alten Beschreibung7) der Uhr hervorgeht
, soll die astronomische Uhr zunächst
auf eine Sonnenfinsternis am 2. April 1912 eingestellt
und am Samstag, den 5. Juli 1913 in
Betrieb gesetzt worden sein. Dies berichtet
auch wortgetreu die Beilage zur „Schramber-
ger Zeitung" vom 11.Juli 1913, vermutlich einfach
abgeschrieben von der genannten alten
Beschreibung.8)
„Bei der Inbetriebsetzung am Samstag, den 5.
Juli 1913 wurde das astronomische Zeigerwerk
auf den 2. April 1912, den Sonnenfinsternistag
, eingestellt und entsprechend der seitdem
verflossenen Anzahl Tage weitergetrieben
bis auf den Tag und die Stunde der Inbetriebsetzung
. "
Warum wurden die Uhrzeiger gerade auf den
Tag einer Finsternis eingestellt? Der Grund ist
sehr einfach: Bei einer Finsternis stehen Drachenzeiger
, Mondzeiger und Sonnenzeiger
deckungsgleich übereinander. Man braucht nur
noch dafür zu sorgen, dass der Sonnenzeiger
(und mit ihm die beiden anderen) an der richtigen
Stelle des Tierkreises positioniert wird.
Das geschieht am einfachsten, wenn man den
Sonnenzeiger auf das entsprechende Datum
des exzentrisch auf dem Tierkreis befestigten
Kalenderringes einstellt. Gleichzeitig muss der
Sonnenzeiger auf der entsprechenden Tagesstunde
, also z. B. auf der Zahl 24 des Stundenringes
der Uhr stehen (= mittlerer Mittag für
Schramberg). Von dieser Stellung aus musste
also damals die Uhr auf das Datum des Tages
der Inbetriebnahme weitergedreht werden.
Dies kann auf verschiedene Art geschehen. Es
ist ja anzunehmen, dass für die Einstellung der
Zeiger und ihr Festschrauben auf den entsprechenden
Wellen die Uhr von außen über ein
Gerüst zugänglich war. Dann konnte man
unmittelbar in das Zeigerwerk (Sonnenzeiger)
eingreifen und das Werk um die entsprechenden
Tage weiterdrehen, also vom 2. April 1912
bis zum 5Juli 1913, insgesamt also 459 Tage. So
oft musste also der Sonnenzeiger im Kreis herumgeführt
werden. Dabei durfte selbstverständlich
das Räderwerk nicht mit der von der
Turmuhr herunter führenden Welle verbunden
sein, sondern musste leer mitlaufen können.
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, am Wellenstumpf
für das Ankoppeln der Antriebswelle
zu drehen, wo pro Stunde eine Umdrehung zu
machen ist. Aber hier wären 24 mal 459, also
insgesamt 11 016 Umdrehungen zu machen,
um den Tag der Inbetriebnahme zu erreichen.
Welche Art der Einstellung nun tatsächlich vorgenommen
wurde ist nicht überliefert. Ganz
sicher ist aber, dass „der Finsternistag", wie es in
einer alten Beschreibung heißt, falsch datiert
war. Eine ringförmig-totale Sonnenfinsternis
fand nämlich in jenem Jahr (1912) am 17. April
statt. Die astronomische Uhr ist also von vorne
herein gleich um zwei Wochen falsch eingestellt
gewesen, wenn man den überlieferten
Beschreibungen glauben kann.
Am 11. Juli 1913 berichtet die Beilage zur
Schramberger Zeitung über die erfolgte Inbetriebnahme
der astronomischen Uhr:
„Das Getriebe des astronomischen Zifferblattes
wird durch eine Triebwelle mittelst einer
bestimmten Anzahl dazwischen geschalteter
Zahnräder von der im Rathausturm untergebrachten
Turmuhr in Bewegung gesetzt."
Dazu folgt eine eingehende Beschreibung der
Funktion der Uhr, die genau der vorgefundenen
, mit Schreibmaschine verfassten Beschreibung
entspricht.
Die Sonnenfinsternis vom 17. April 1912
Nun ist hierzu zweierlei zu bemerken. Einmal
wird mit dem Ausdruck „Sonnenfinsternistag"
im genannten Zeitungsartikel auf ein wohl allgemein
bekanntes und sehr beeindruckendes
und seltenes Ereignis hingewiesen. Andrerseits
aber steht fest, dass eine Sonnenfinsternis nicht
am genannten Tag, sondern erst zwei Wochen
später am 17. April 1912 stattfand. Dies war die
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