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Ernst Huber:
DER „SKANDAL" MIT DEM
FRONLEICHNAMSKREUZ
Erinnerung an die Irritationen um ein
Frühwerk des Künstlers Erich Hauser
Ernst Huber,
Schramberg
Der Autor (Jahrgang 1928) beschreibt aus seiner
persönlichen Erinnerung in plastischer Erzählung,
wie in Schramberg 1958 eine Kreuzdarstellung des
damals hier tätigen Bildhauers Erich Hauser (1930-
2004) bei der Fronleichnamsprozession der Katholischen
Kirchengemeinde St. Maria zum Einsatz kam
und für Aufsehen sorgte. Dieses Kreuz wurde vom
damaligen Kaplan Erich Legier (1927-2013) später
erworben. Nach seinem Tod kam es jetzt nach
Schramberg zurück und erhielt am 23. Juli 2017 im
Rahmen des Sonntags der Kirchenmusik seinen festen
Platz in der St. Maria-Kirche - diesmal mit Weihe
und ohne Aufregung - in der Nähe des von Erich
Hauser bei der Innenrenovation von St. Maria 1993/94
geschaffenen großen Stahlkreuzes.
Schock bei der Prozession
Am Fronleichnamstag des Jahres 1958, dem 5.
Juni, war im katholischen Schramberg plötzlich
und unvermittelt „der Teufel los". Viele treue und
festlich gestimmte Prozessionsteilnehmer sahen
sich von der einen auf die andere Minute einem
so noch nie erlebten Schock ausgesetzt.
Wie bei einer Gemütsbewegung üblich, blieb bei
den meisten zuerst einmal die Sprache weg. Sie
kam zwar bald wieder, doch mit ihr auch eine
von innen kommende Aufregung. Während der
Prozession schien sich diese fürs erste nur in fraulichem
Getuschel oder in männlich grummelndem
Unmut zu äußern. Zunächst überdeckte noch die
beim „Herrgottstag" gebotene religiöse Disziplin
das offensichtliche Unverständnis und die Pro-
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Zession machte sich vom Rathausplatz auf ihren
restlichen Weg zum abschließenden „Tedeum"
in der Stadtpfarrkirche St. Maria.
Danach aber ging es lautstark los. Schon nach
kurzer Zeit traf bei den aufgeregt Diskutierenden
ein sonst im Schramberger Sprachgebrauch wenig
benütztes Wort in den Vordergrund: Skandal!
Nicht sehr viele wussten so genau, was damit gemeint
war. Aber wenn schon alle so redeten, muss-
te es auch tatsächlich einer sein, so ein Skandal!
Altar von der Straße wegverlegt
Was war denn überhaupt geschehen? Alles hatte
doch so vernünftig, gut und in ungetrübter Übereinstimmung
der damit befassten Institutionen
begonnen. Im Vorfeld des Fronleichnamsfestes
1958 waren Stadtverwaltung, Polizei und die Katholische
Kirchengemeinde übereingekommen,
den traditionellen Altar vor dem Hotel „Post"1
aus der Schusslinie des immer stärker werdenden
Straßenverkehrs zu nehmen und um 90 Grad versetzt
vor das Hotel „Mohren" zu verlegen.2 Für
die Dauer der Prozession gab es zwar eine funktionierende
Umleitung, nicht aber während der
Stunden des Altaraufbaues und des Blumentep-
pichlegens vor der Prozession wie auch während
der in Schramberg üblichen Gewohnheit, sich
hinterher von der Straßenmitte aus nochmals die
Blumenteppiche anzuschauen und zu kommen-
1 heute Filiale der Bäckerei Brantner in der Hauptstraße, zuvor
Geschäftsstelle des „Schwarzwälder Boten"
2 die heutige Commerzbank-Filiale am vorderen Rathausplatz
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