Museums- und Geschichtsverein e.V. Schramberg, [ohne Signatur]
D'Kräz: Beiträge zur Geschichte der Stadt und Raumschaft Schramberg
Schramberg, 37.2017
Seite: 73
(PDF, 21 MB)
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neten es glattweg als „Blasphemie" oder gleich
unverblümt als „Gotteslästerung". Andere sprachen
von „Schande", von „Blamage", von einem Verrat
an der christlichen Kunst und vom „erbärmlichen
Machwerk eines Nichtkönners". Das Schlimmste
aber sei, dass amtsvergessene Geistliche so etwas
noch unterstützen und für gut befinden würden.

Kolping würde sich im Grabe umdrehen

Und damit war der Ball im Feld des Kaplans Erich
Legier gelandet, welcher mit seinen Ansichten
der ihm anvertrauten Jugend „Flöhe in das Ohr"
setzen würde. Von da an war es nur noch ein
kleiner Schritt, bis auch ich als „ Unterstützer"
mein Fett abbekam. Kolping würde sich im Grabe
umdrehen, wenn er sehen könnte, für was sich
heutige Kolpingsöhne hergeben würden. Die so
Argumentierenden waren zumeist angesehene Traditionsmitglieder
der Kolpingsfamilie. Es war fast
so etwas wie eine kleine Christenverfolgung. Allerdings
mit dem minimalen Unterschied, dass sich
die größten Ankläger für die guten Christen hielten,
welche den irregeleiteten Mitchristen notgedrungen
einen falschen Weg vorwerfen mussten.

Die Angegriffenen versuchten sich natürlich zu
wehren. Sie mussten aber bald einsehen, dass gegen
den bei einigen der Wortgewaltigen ausgebrochenen
Volkszorn zunächst kein Kraut gewachsen
war. Weder der Hinweis auf das verlotterte
alte Altarbild noch auf den daraus entstandenen
Zeitdruck und auf die deshalb notwendig
gewordene Sofortentscheidung konnte ihre Anklageflut
bremsen. Nachdem diese ausgiebig zelebriert
worden war und man feststellen konnte,
dass dies alles zumindest schon mehr als fünfmal
gesagt worden war, wurde es allmählich wieder
stiller.

Auch Fürsprecher kommen zu Wort

In dieser Phase gab es dann auch einige ausgleichende
und um Verständnis werbende Stimmen.
Ich glaube mich erinnern zu können, dass auch
die Stadtpfarrer Wendelin Sieß (1919-2013) 6 und
Alfred Gluns 7 sowie so aufgeschlossene Leute

6 Stadtpfarrer der ein halbes Jahr zuvor errichteten eigenständigen
Pfarrei Heilig Geist

7 Stadtpfarrer in St. Maria 1957-1962

wie Gebhard Straub (1916-2001) und Ludwig
Klaussner (1912-2008)9 in diesem Sinne tätig
wurden. Dabei wurde dann auch eine Lanze für
den uns aus der Not geholfen habenden Erich
Hauser und der Freiheit seiner künstlerischen
Auffassung gebrochen. Im Übrigen haben natürlich
auch Kartoffelsalat und Bratwürste über den
durch sie bewirkten Sättigungsgrad zu einer gewissen
Befriedung beigetragen. Man kam ansatzweise
noch so weit, dass rechtzeitig vor dem
nächsten „Herrgottstag" ein neues und in die Zukunft
weisendes Altarbild angeschafft und frühzeitig
darüber gesprochen werden soll.

Kontroversen in der Gemeinde

Im Gegensatz zu der im „Bären" praktizierten
Kampagne blieb es in der Öffentlichkeit wesentlich
ruhiger. Viele Gemeindemitglieder, welche
sich unter christlicher Kunst etwas erkennbar
Gegenständliches vorstellten, machten deutlich,
dass sie mit einer so abstrakten Christusdarstellung
zwar nichts anfangen könnten, jedoch Verständnis
für die Auffassung eines jungen Künstlers
wie Erich Hauser empfänden. Dabei handelte es
sich hauptsächlich um die schon etwas älteren
Gemeindemitglieder. Die jüngeren dagegen zeigten
sich begeistert, dass sich endlich einmal etwas
Modernes durchgesetzt und die auf ständigen
Konsens festgelegten Leute einmal so richtig
durcheinandergewirbelt habe. Aufmerksame Beobachter
befürchteten, dass ein sich bereits in
ganz vagen Ansätzen abzeichnendes Konzil zu
ählichen Konfrontationen führen könnte.10 Als
interessant war festzustellen, dass das Altarkreuz
selbst in den Schramberger Fabriken kontrovers
diskutiert wurde. Und dies nicht nur von Katholiken
, sondern auch von Protestanten. Das Kreuz
war nicht nur zu einem Stein des Anstoßes, sondern
auch zu einem aktuellen Thema geworden.
Wie schon im „Bären" angesprochen, sollte der
von Kolping gestaltete Fronleichnamsaltar des
Jahres 1959 gründlich vorbereitet werden.
Schwester Lugidia vom Kindergarten St. Maria
hatte im Laufe des Jahres ein neues Altarbild in

8 Druckereibesitzer und Verleger

9 Buchhändler

10 Das II.Vatikanische Konzil, das eine Modernisierung der
katholischen Kirche bewirkte, fand von 1962-1965 statt.

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