Freiburger historische Bestände - digital

78 Engelbert Krebs:

Ein Vorkommnis aber, das von ihr überliefert wird, verdient
in seine sämtlichen Teile zerlegt zu werden, weil jede
einzelne Phase desselben charakteristisch ist.

Adelheid hatte viele Jahre lang großes Verlangen
danach, selbst zu erleben, wie es den Aposteln mag
zu Mute gewesen sein, als sie am Pfingsttag den hl.
Geist empfingen.

Hier haben wir eines der wichtigsten Erklärungsmomente
für die vielen Visionen, die uns aus den Klöstern berichtet
werden. Das Verlangen nach einer bestimmten Gnade oder
nach einer Vision war — wegen der vielen Wundererzählungen,
die man von andern erzählen hörte - selbstverständlich sehr
häufig. Das früheste Beispiel im Umkreis der hier in Betracht
kommenden Literatur findet sich bei Gaesarius von Heisterbach
1). Der Wunsch bezog sich meist auf das Nacherleben
irgend eines biblischen Vorganges, der Geburt oder des Leidens
Christi, des Pfingstwunders und dergleichen, oder auf den Einblick
in die Geheimnisse Gottes, die Trinität, das Aussehen
der eigenen Seele vor Gott und ähnliche Fragen 2). Nun vergegenwärtige
man sich, daß unsere Nonnen in lebendiger Nachahmung
des hl. Dominikus sich vielfach in härtester Weise den

x) Caes. VJII, 2 u. besonders VIII, 5!

2) Adelhausen 171: Berchthe von Oberried hatte zu einem
mal große Begierde nach Gnade, ib. 184: Adelheid v. Wendlingen
hat den lebhaften Wunsch, das Leiden Christi zu sehen, ib. 183: Ag.
nes v. Nord er a möchte gern wissen, wie es dem Herrn gewesen, als er
gekreuzigt wurde, ibid. 174: Reinlind von Villingen will sehen, wie
ihre Seele vor Gott aussieht. Katharinenthal 180: Cäcilie von Win-
tertlmr war an Weihnacht in großer Begierde, den Herrn als Kindlein
zu sehen, ibid. 165: Adelheid Zirgerin will das Abendmahl sehen. 167.
Elsbeth von Stoffeln verlangt den hl. Geist kennen zu lernen. Thöß 67:
Beli von Liebenberg bittet um visionäre Kenntnis der Trinität. Unter-
linden 255: Gertrud de Rhinfelden scire plurimum desideravit veritatem
illius quod B. Augustinus dicit, quod omnia membra hominis post
resurrectionem fulgebunt sicut sol in regno Dei. 207: Ad. v. Apiach peti-
vit a Domino multo tempore ardentique desiderio um ein sichtbar Zeichen
der Stunde der Inkarnation.