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Die Mystik in Adelhansen. 87

Gleichzeitig sorgte eine fromme Ausmalung der Chöre')
und ernste Tafelbilder2), zumal Darstellungen vom Leiden
Christi, für eine der rein geistigen Betrachtung helfend zur
Seite tretende Anregung der Phantasie.

Übersehen wir das Gesagte mit einem Blick, so wird uns
klar, daß eine Frau, die in den Konvent zur Zeit der ersten
Blüte eintrat, ein Leben voll hoher geistiger Beschäftigung auf
sich nahm. Sie erfüllte, wenn sie eifrig war, tatsächlich ihr
Denken und Fühlen mit Himmlischem, schöpfte täglich aus der
hl. Schrift, den Vätern, Dichtern, Lehrern, aus der bei den Dominikanern
besonders poetischen Liturgie3), aus den nicht minder
blütenreichen zahllosen Heiljrgenlegenden und Ordensgeschichten,
aus den Erzeugnissen einer vom christlichen Geiste und Leben
durchdrungenen Kunst und aus den Lehren zum Teil hochgebildeter
, vorn ernsten Scholastizimus zur dichterisch neuplatonischen
Weltanschauung hinübergreifender Theologen. Nun verstehen
wir, daß wir so oft von Nonnen hören, „die schwere
Bücher deuten konnten wie ein Pfaff" 4)y nun wissen wir,
warum es von Grün bürg von Kastelberg heißen kann:
„Sie besaß eine ausgenommene Kunst und zumal der
Gesell riffle, mehr als sonst Frauen gewinnen." Auch
sonst war sie der Adelhauser Chronik zufolge eine auffallend
begnadete Frau; aber wieder sind es lauter Dinge, die wir
anderswo und früher auch erzählen hören: so wenn es von
ihr heilst, sie habe in kranken Tagen „Himmlische Freude
und Höllische Weise" kennen gelernt, was schon in der
Legenda aurea vorkommt5), der andern alle, welche die

') Adelhausen 175.
-) Katharinenthal 16*2.
i vgl. „Kirchenlexikon;l Artikel: Brevier.

') Engelthal 13. Ähnlich ebenda 30. vgl. Thöfi 32 n. Unter-
linden an vielen Stellen, so 102, 209, 251, 294.

5) Patriciuslegeude in Leg aar. 281. Die Reise des Sünders Nikolaus
zur Hölle. Die Höllenstrafen sind so ausführlich geschildert, daß sie
ganz an Dante erinnern.