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Erasmus in Freiburg -
Vom geistigen Erbe unserer Stadt
Am 9. Mai des Jahres 1529 schrieb Erasmus wenige Tage nach seiner Ankunft in Freiburg an
Willibald Pirkheimer in Augsburg:
„Endlich habe ich die Scholle gewechselt, der Rauraker ist ein Breisgauer geworden... Die kleine
Reise ging besser, als ich erwartet hatte. Der Rat der Stadt Freiburg bewies mir ganz von selbst
alle Freundlichkeit, noch ehe mich König Ferdinand brieflich empfahl. Man gab mir ein fürstliches
Haus, das seinerzeit für Kaiser Maximilian gebaut wurde, aber unvollendet blieb. Einige
Monate werde ich hier bleiben, falls kein Krieg entsteht...". Aus Basel, der Augusta Rauraca, war
Erasmus in die Breisgauhauptstadt gekommen, fast auf der Flucht, jedenfalls um sich öffentlich
von der reformatorischen Entwicklung in Basel zu distanzieren, wie er in weiteren Briefen die
Freunde wissen ließ. In einem Brief vom Juli 1529 schrieb er Pirkheimer: „ ...Ubi bene ibi patria,
heißt es im Sprichwort. Ich werde also für ein Jahr das so freundliche Klima hier genießen dürfen
, wenn mich Mars nicht von hier vertreibt... "
Weitere zwei Monate darauf teilte er in einem Brief vom 5. September 1529 dem Freunde Thomas
Morus mit: „Bis jetzt ist mir wider Erwarten die Reise hierher gut bekommen. Der Sommer
ist hier sehr angenehm, aber vor dem Herbst habe ich Angst. Die Stadt ist halb von Bergen
umschlossen, kaum vergeht ein Tag ohne Wolken und Nebel... Könnte ich doch noch einmal
im Leben meine besten Freunde sehen!"
Der Autor, Desiderius Erasmus von Rotterdam, ist einer der leidenschaftlichen Briefeschreiber
jener Zeit. Die Edition seiner Korrespondenz umfaßt 12 große Bände. Er suchte die Kommunikation
. Das Gespräch, der Dialog war eine literarische Grundform jener Epoche. Der Dialog konnte
die Gedanken beflügeln, ihnen gleichsam Flügel verleihen. Man denke an die Utopia des
Thomas Morus, die Erasmus hier zum Druck brachte; man denke an die Colloquia familiaria, die
Erasmus selbst verfaßte; und man denke an viele Werke der Humanisten.
Erasmus ist als Briefeschreiber und Schreiber überhaupt Literat, literarisch Gebildeter und literarisch
Wirkender. Eben das ist es, was die Humanisten charakterisiert und auszeichnet: ihre literarische
Bildung als geistige Größe. Diese Bildung machte ihren Adel aus, machte sie dem Adel
gleich. Erasmus korrespondierte mit Fürsten und Kaisern, mit Kardinälen und Päpsten. Die
Humanisten brachten eine neue Qualität von Elite hervor. Die neue Bildung war auf den Menschen
bezogen, war weltlich orientiert (die Welt als das Haus des Menschen: den mundus
hominum). Der Gebildete, der Humanist also, qualifizierte sich nicht mehr primär durch seine
Jenseitsorientierung.
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