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untertage durchgeführt. Gegen Ende des 17. Jhs. ließ der Frankfurter Handelsherr v. Stockheim
unter großen Kosten erste Sprengungen für die Flößerei im Binger Loch vornehmen.
Dies war der Durchbruch. Innerhalb weniger Jahrzehnte verschwand der mittelalterliche Bergbau
mit seinen primitiven und menschenunwürdigen Methoden, mit den quälenden und
erbärmlichen Verhältnissen. Die sieben Zwerge versanken aus der Wirklichkeit in die halbvergessene
Tiefe des Märchens. Die Förderleistungen stiegen in kurzer Zeit auf ein damals unvorstellbares
Maß an, Millionen von Tonnen an Gestein, an Erzen, Salzen und auch Kohlen wurden
gefördert. Es begann die bedeutendste und wichtigste Voraussetzung für die technische Revolution
: Der Bau von Hafenanlagen, Kanälen, Bahnstrecken und Tunnels für Straßen- und Eisenbahnbau
. Dazu die ungeheuren Mengen an Schotter- und Pflastersteinen, die dazu benötigt
wurden.
Die Entdeckung der Neuen Welt mit ihren wesentlich ergiebigeren Erzvorkommen verurteilte
die alten europäischen Bergreviere zur Bedeutungslosigkeit. Gerade noch wurde der Hochchor
des Freiburger Münsters fertiggestellt. Nach einer kurzen Zeit der Belebung im Barock und
während der beiden Weltkriege mußten auch die Stolleneingänge im südlichen Schwarzwald
verschlossen werden.
Eine jahrhundertealte Tradition begann der Vergessenheit anheimzufallen. Wer vor dem Münster
steht, wer sich seinem einmaligen Eindruck hingibt und sich dabei etwas über Kunstgeschichte
erzählen läßt, müßte auch einmal mit einer Lampe auf dem Helm in einen jener alten
Stollen einsteigen, nicht „einfahren", wie heute der Fachausdruck heißt. Er müßte in tiefer Dunkelheit
, sich an den engen Wänden abstützend, mit dem Wunsch nach frischer Luft einmal eine
Strecke abgehen oder auch abkriechen. Nur so begriffe er, auf welch beängstigende Weise der
harte Wille des Menschen zur Durchsetzung wirtschaftlicher Ziele und Notwendigkeiten sichtbar
, fast fühlbar wird und auf welch seltsame Weise gleichzeitig sein Bedürfnis damit verbunden
ist, Schönes zu schaffen.
Das Beispiel der Sprengtechnik und ihrer Entwicklung ist nur ein Aspekt der industriellen Revolution
, die uns das Mittelalter überwinden ließ. Heute werden neun Zehntel der hergestellten
Sprengstoffe für friedliche Zwecke genutzt.
Die Entscheidung zum Guten oder zum Bösen liegt nicht in den technischen Verfahren oder
ihren Methoden begründet. Sie sind lediglich Erfindungen, über deren Anwendung der Mensch
selbst entscheidet. Dieses Letztere aber bleibt keiner Generation erspart. Die Notwendigkeit,
technisches Wissen zu nutzen ist uns, um zu überleben, stets aufgezwungen. Über die Art ihrer
Anwendung aber nach den Grundsätzen der Ethik zu entscheiden, bleibt die Aufgabe des Menschen
, die ihm stets immer wieder neu gestellt werden wird.
Sprengen eines Baumes zu militärischen
Zwecken um 1405. (Aus dem Bellifortis-
Kodex von Konrad Kyeser).
Die Sprengtechnik im Bergbau hat sich
von den Anfängen bis zum Ende des
19. Jhs. kaum verändert. Ein Bohrloch
wurde mit einer Pulverladung gefüllt
und mittels einer Zündschnur gezündet.
Die primitive Methode führte häufig zu
schweren Unfällen. Erst die Einführung
der Sicherheitssprengstoffe nach 1865
erbrachte eine durchgreifende Besserung
und erhöhte Wirksamkeit des Verfahrens
.
Gerd W. Kramer
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