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Neresheim.
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IG) Neresheim
1095 (resp. 1106.) bis 1802.
Neresheim (M. S. Udalrici et Afrae), unmittelbare Reichsabtei
im Hertzfelde (Jaxtkreis) auf einem Berge (Ulrichsberg) nächst
dem Städchen Neresheim. Ueber den Ursprung und die erste
Stiftung des Klosters lässt sich nichts bestimmtes sagen. Gewiss
ist, dass schon lange vor der zweiten Stiftung zu Neresheim eine
dem hl. Ulrich geweihte Kirche bestand, dass die Grafen von
Dillingen und Kyburg daselbst ihre Grabstätte hatten und in der
dortigen Gegend bedeutende Güter besassen. An diesem Orte
nun machte Hartmann HL, Graf von Dillingen und Kyburg, 1095
über die Grabstätte seiner Väter eine neue Stiftung, zuerst für
Saecular-Canoniker, auf die 1106 Benediktiner folgten. Der erste
Abt war aus Petershausen. Die Grafen von Oeffingen wurden nach
Abgang der Grafen von Dillingen Schutzherren des Klosters,
welches endlich ganz unter Oettingen-Waller3tein'sche Landeshoheit
kam. Im Jahre 1764 erreichte das Kloster mit Wallerstein einen
Vergleich, trat das am Fusse des Berges liegende Städtchen
Neresheim mit mehrereu Dörfern und Orten, verschiedeneu Gefällen,
Nutzbarkeiten und ansehnlicher Geldsumme dem Hause Wallerstein
ab und machte sich dadurch von jeder Abhängigkeit von Oettingen-
Wallerstein los. Dadurch wurde Neresheim ein unmittelbares
Reichsstift und erhielt Sitz und Stimme unter den schwäbischen
Reichsprälaten. Der Abt nannte sich auch Herr von Ziertheim
und war des römischen Kaisers Rat und Erbkaplan. Es umfasste
in seinem Landesgebiete mit aller hohen und niederen Gerichtsbarkeit
: 1. Die Abtei Neresheim und auch die eine Viertelstunde
entlegene Wallfahrtskirche Maria Buch. 2. Die Dörfer Aurenheim,
Ebnat, Elchingen, Groskuchen und Kleinkuchen. 3. Die Weiler
Affalterwang, Hochstatt, Nietheim, Niosez, Rothensohl und Steinweiler
. 4. Die Höfe Autelhof, Diepersbuch, Hagenbuch, Hubasweiler
, Mittelhof, Waldzierten. 5. Mehrere Mühlen, Untertanen in
Balmertshofen, Dieschingen, Eglingen, Hofen, Igenhausen, Scbrez-
heim und Ziertheim und besass die im Pfalzneuburgischen (3 St.
von Neresheim) liegende Hofmark Ziertheim. Die Kirche, erbaut
1750—1777 von den Architekten Neumann aus Würzburg, Wide-
mann aus Donauwörth und Keller aus Gmüud und 5. Oktober 1777
konsekriert, ist ein wahrer Prachtbau. Das Innere derselben ist
ebenso schön als geschmackvoll. Gemälde von Knollers Meisterhand
zieren dieselbe. Das Stift besass eine vorzügliche Bibliothek, ein
Naturalien- und Münzkabinet und ein mathematisches Museum.
Zur beständigen Vermehrung dieser Sammlungen waren jährlich
namhafte Summen ausgesetzt. Im ganzen Gebiete des Stiftes waren
Normalschulen eingeführt. Im Stifte selbst bestand eine Lateinschule.
Vermöge Reichsdeputationsschlusses vom 23. November 1802 erhielt
das fürstliche Haus von Thurn und Taxis für seine an Frankreich
abgetretenen Besitzungen auch das Kloster Neresheim. Der regierende
Fürst, Karl Anselm, Hess durch den bevollmächtigten
Kommissär Grafen Westerholt am 22. Dezember d. J. vom Kloster
nebst allen dazugehörigen Besitzungen den Zivil-Besitz ergreifen,
das Kloster als aufgehoben erklären und die Klosterämter als
solche auflösen. Nachdem aber der Konvent dem Fürsten Karl
Anselm einen Plan für eine im Kloster neu zu errichtende Lehr-
und Erziehungsanstalt übergeben hatte, wurde am 25. Juni 1803
vom Fürsten die Gründung eines Lyzeums unter dem Namen
Lyceum Carolinum genehmigt und 13 Religiösen aus Neresheim
als Professoren angestellt. Jedoch diesem hoffnungsvollen Institute
war nur eine kurze Dauer beschieden. Am 13. November 1805
i) Diese Annalen gab mit Erläuterungen heraus Dr. Giefel: Die
Ellwanger und Nereshehner Gescliichts-Quellen. (Würiteinberg. Geschichts-
starb plötzlich an einem Schlagflusse Fürst Karl Anselm, worauf
sein Sohn Karl Alexander die Regierung übernahm, der durch
die ungünstigen Zeitverhältnisse gedrängt, bald nach Beendigung
des dritten Schuljahres am 13. September 1806 die Aufhebung
der Anstalt verhängte. Die meisten Konventualen mussten sich
nun auf andere Weise ihr Fortkommen suchen. Gegenwärtig dienen
die Klostergebäude als fürstlich Taxis'sches Residenzschloss. Im
Jahre 1825 wurden die Verhältnisse bezüglich der Pfarrei geordnet.
Die ehemalige Stiftskirebe ist nun Pfarrkirche für die Gemeinde
„Schloss Neresheim". In den ehemaligen Klostergebäuden sind
sehenswert die mit herrlicher Stukkaturarbeit gezierte Decke der
Bibliothek, welche noch vollständig aus der Zeit des Klosters
vorhanden und über 11.0J0 Bände zählt.
Quellen: Annales Neresheimenses 1059—1406 M. G. SS.
X. 20—27. — Continuatio II. 1411—1540 auetore J. Schwei ckhofer
Abbate. X. 27—32. Cont. III. 1545 -1572 X. 33-34.l) —
Fragmenta Necrologii Neresheimensis et Liber Anniversariorum.
M G. Necrol. I. 95-98. — (Lasser) Aufzeichnungen aus einem
Kloster-Tagebuch über die letzten Kriegszeiten der Abtei Neresheim
1800—1802 von P. Paul Lasser, Prior. (Dioec. Archiv
v. Schwaben. Jahrg. 1899. S. 10—14, 31-32, 41—46; Jahrg. 1900.
S. 11-14, 120-123, 137-138, 159, 167—172; Jahrg. 1901. S.
12-15.) —
Literatur: A) Allgemeines: Bruschius, Chronol. 96. —
Catalogi Religiosorum Mon. Neresheimensis impressi. 1791, 1792
—1802 Folio (der aus dem Jahre 1796 ist ein Regalfolio, enthält
auch die Reihe der Aebte und ihre Wappen.) — Lang Anselm
0. S. B. Neresheim, Kurze Geschichte des ehemaligen Benediktiner-
Klosters und Reichsstiftes Neresheim mit einer Beschreib, der Kirche.
Nördliogen. (Beck. 1839. 114 S. 8°. Mit 2 lithograph. Ansichten.
(Stützt sich vorzüglich auf Nack, siehe diesen). — Lindner Pirmin,
„Album Neresheimense;£ Verzeichnis der vom Jahre 1424
bis 1854 verstorbenen Aebte und Religiösen der ehemaligen Reichs-
Abtei Neresheim in Schwaben, Benediktinerordens. Mit biograph.
Notizen etc. Zum Gedächtnis an die vor 800 Jahren erfolgte
Gründung (1095). (Dioecesan-Archiv von Schwaben, Jahrg. 1895
S. 161 -167, 181-188. Jahrg, 1896 S. 9-13 und S. 192. Enthält
auch den liter. Nachlass der Religiösen) —[(Nack Carl.) Reichsstift
Neresheim. Eine kurze Geschichte dieser Benediktiner-Abtei
in Schwaben und Beschreibung ihrer im Jahre 1792 eingeweihten
neuen Kirche. Druck und Verlag des Reichsstiftes Neresheim.
1792 144 S. 8°. (Mit Abbildung des Stiftes in Kupfer „Del. et
sculps. P. Joann. Ev. Reiter Professus O. S. Ben. p. t. Geometra"
mit einem Catalogus der damals lebenden Religiösen.) — Oberamt
Neresheim. Stuttgart 1872 S. 362-383 (Kurze Geschichte und
Beschreibung der Kirche). — Stengelius, Monasteriologia Pars I.
1619 Blatt 37- 38 (Beschreibung und Abbildung). — Desselben,
Mantiss. rer. Augustan 64—65 (Reihe der Aebte). — Ueber das
Lyzeum, das nach der Aufhebung gegründet und von Neres-
heimer Religiösen geleitet wurde, erschien: Sontag Petrus, Nachricht
über das hochfürstl. Thurn und Taxis'sche Lyceum Carolinum
zu Neresheim. Buchau (Fürstl. Thurn und Taxis'sche Buchdruckerei)
1S05. Mit Appendix: Gesetze und Vorschriften für die Zöglinge.
Quellen II. Bd. Stuttgart 1881, 78 S. gr. 8°.)
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