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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1949-01/0005
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Die Markgrafschaft

T BÜRGLEN UF DR HÖH'!

VON ROSEL EHRBACHER.SÄNDFUCHS

Uber seine Entstehung berichtet eine alte Chronik, daß
einst auf einer einsamen Burg zu Kaltenbach im oberen
Kandertal das alte Dynastengeschlecht der Grafen von
Kaltenbach lebte. Dies leistete nun anfangs des zwölften
Jahrhunderts freiwillig Verzicht auf seinen weiteren
Fortbestand, indem alle seine Glieder ins Kloster gingen
und ihr ganzes Vermögen der Kirche vermachten. Der
alte Graf Werner von Kaltenbach siedelte in die Benediktiner
-Abtei St. Blasien über und trug — im Vorgefühl
seines nahen Todes — dem Abt vor, „daß er es gern
sähe, wenn auf dem Berge namens Bürgeln im Sausen-
hard ein Kloster errichtet würde. Denn unter allen seinen
Besitzungen sei ihm diese die teuerste, wo das Auge
fast keine Grenzen finde und zahlreiche Länder mit
ihren Burgen, Weilern, Städten, Wäldern und Auen
überblicke. Dieser Ort hätte schon bei seinen Ahnen im
gleichen Ansehen gestanden und sie alle hätten ihn zu
ihrer Grabstätte auserwählt. Man möge zu dem dort
befindlichen Kirchlein einige Brüder senden und das
klösterliche Leben begründen," Dieser Bitte wurde entsprochen
, das Kloster im Jahre 1126 von den Benediktinern
der Abtei St. Blasien erbaut und vom dortigen Abt
Berthold I. zur Probstei erhoben. Werner Junior von
Kaltenbach wurde zum ersten Probst von Bürgeln ernannt
, die Kirche auf Bürgeln zehn Jahre später vom
päpstlichen Legaten zu Ehren des hl. Johannes geweiht.

Seitdem stand die Probstei Bürgeln auf hoher Warte
im Markgräflerland und erlebte — mit dessen Geschik-
ken aufs engste verbunden — Jahrhunderte buntbewegter
Geschichte. Kriege, Hungersnöte, Feuersbrünste und
Epidemien schlugen ihre Wellen bis auf die Höhe von
Bürgeln und ließen auch dort ihre Spuren zurück.

Schon im Jahre 1267 wurde die Probstei in der Christnacht
ein Raub der Flammen, — im Jahre darauf aber
schon von den Mönchen wieder aufgerichtet. Um 1525
plünderten aufständische Bauern Bürgeln aus und vertrieben
die Geistlichen. Nachdem die Ruhe im Lande
Wieder hergestellt war, wurde die Probstei von den
Benediktinern erneut instand gesetzt und bezogen. In
den folgenden Jahren brausten die Stürme der Reformation
über das Land, ohne aber im Kloster Einlaß zu
finden. Von 1695 an jedoch mußte das Gebäude wegen
erlittener Kriegsverheerungen einige Zeit unbesetzt bleiben
und von Todtmoos aus verwaltet werden, bis die
notwendigsten Reparaturen Bürgeln wieder bewohnbar
gemacht hatten. Im Jahre 1717 wurde die Probstei von
fremden Truppen geplündert, jedoch nicht zerstört.

Nun war, obwohl einzelne Pröbste immer wieder größere
Ausbesserungen vorgenommen hatten, das ganze
Anwesen allmählich in einen unhaltbaren Zustand geraten
. Deshalb entschied man sich in St. Blasien für den
Abbruch und ließ in den Jahren 1762—64 auf der alten
Stelle und in derselben Größe einen Neubau im Stile
des damals herrschenden Rokoko errichten. Doch nicht
allzulange mehr war dieser von den Benediktinern bewohnt
, da diese in der Säkularisation zu Beginn des
19. Jahrhunderts das Land verlassen mußten und in
St. Paul in Kärnten Schutz suchten, wo sich ihre Nachfolger
auch heute noch befinden. Der letzte Probst von
Bürgeln verkaufte Gebäude und Felder im Jahre 1809
an den Landwirt A. Bromberger in Sitzenkirch, dessen
Nachfahren noch heute auf der St. Johannisbreite das
Land zu Füßen des Schlosses bebauen. Die klösterlichen
Waldungen übernahm der Staat.

Während der folgenden hundert Jahre hat die alte
Probstei, die nun als vornehmer Herrensitz, zeitweise
auch als Gaststätte diente, öfters ihren Besitzer gewechselt
, bis sie im Jahre 1920 auf Grund des Sperrgesetzes
unter der Treuhänderschaft des damals gegründeten
Bürgeln-nBundes (der das Geld zum Ankauf aufgebracht
hatte) von der Gemeinde Obereggenen gekauft und von
einem Pächter übernommen wurde. Dieser hat das ganze
Anwesen großzügig und stilgetreu ausgebaut und mit
außerordentlichem Kunstverständnis renoviert.

Äußerlich von einfacher, ruhiger Linienführung entwickelt
die Innenausstattung eine für das Rokoko kennzeichnende
Pracht. Die große Halle nimmt den Besucher

zuerst in Empfang und erinnert mit ihre alten Wappen
von St. Blasien und Bürgeln, mit ihrem alten, romanischen
, in Stein gehauenen Brunnen und dem schweren,
alten Klostertisch an die Vergangenheit des Hauses.
Wundervolle Stukkaturen schmücken die Decken, in die
an verschiedenen Stellen kunstvolle Uhren eingelassen
sind, die mit dem Läutwerk der Turmglocken in Verbindung
stehen. Schmiedeeiserne Lampen weisen den
Weg über einen schönen Doppelaufgang zum Bildersaal,
der mit seinen vielen alten Gemälden einer der Hauptanziehungspunkte
des Rundganges bildet. Weiter geht es
von da in die Porzellankabinette, die (vom jetzigen
Bewohner des Hauses in Jahrzehnten mit viel Kunstsinn
und Liebe zusammengetragen) die schönsten Kostbarkeiten
und Raritäten an Fürstenberger, Nymphen-
burger, Delfter und Meißner Porzellan u. a. m. enthalten.
Im Gang des quadratisch angelegten Baues sieht man
große Porträts der Freunde und Gönner der Benediktiner
, daneben über den Türen der ehemaligen Klosterzellen
Gemälde mit Ansichten der Benediktinerabteien
von Deutschland, Österreich und der Schweiz. Glänzpunkt
des Schlosses jedoch ist die durch zwei Stockwerke geführte
Kapelle, die mit ihren reichen Stukkaturen in
weiß und gold, mit ihrer prächtigen alten Kanzel, dem
schönen oberbayerischen Weihnachtsaltar, den wundervollen
Schnitzwerken und Gemälden ein barockes Kunstwerk
, ein wahres Schmuckkästchen darstellt.

Bevor man Schloß Bürgeln mit seinen idyllischen Gärten
durch das große, mächtige Eichentor der Umfassungsmauer
verläßt, tritt man noch einmal hinaus auf die
große Freiterrasse und läßt den Blick — unvergeßliches
Erleben trinkend — weit in die Runde schweifen. Im
Rücken den dunklen Blauen, breiten sich vor dem
Schloß waldige Hänge, saftige Matten, ausgedehnte Rebberge
und freundliche Dörfer aus. — Es geht gegen
Abend und der Himmel bildet im Glanz der untergehenden
Sonne eine einzigartige Harmonie in rot, gelb
und blau. Berg reiht sich an Berg zu einer im Abenddunst
verschwimmenden Kette, im Hintergrund tauchen
zum letztenmal — in feuriges Rot getaucht — die Gipfel
der Schweizer Alpen auf, bis das Farbenspiel in der
nahenden Dämmerung verblaßt. Langsam glimmen die
ersten Lichter auf, das silberne Band des Rheins verschwindet
im Grau, und Basel schickt — ein Meer von
glitzernden Pünktchen — einen freundnachbarlichen
Gruß hinauf nach Bürgeln, — zur Perle des Markgräfler-
landes.

Bürgler Sdiloßbrunnen Federzeichnung von F. Fischer


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