Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1949-01/0007
6

Die Markgrafschaft

Wie das Kätterli dem Kaspar den Saufteufel austrieb

Von Fritz vom Klemmbach

In einem Dorfe des weingesegneten Markgräflerlahdes
lebte ein Bauer namens Kaspar B. mit seiner Kathrine,
einer fleißigen, braven Frau, deren Leben von früh bis
spät in die Nacht Arbeit und Mühe war. Der Mann, in
der ersten Zeit ihrer Ehe, galt ebenfalls als tüchtiger
Bauer und Rebmann. Mit den Jahren aber tat er dem
Wein zuviel Ehre an, bis es endlich soweit kam, daß ein
Rausch den andern ablöste. Die Arbeit war ihm zum
bitteren Muß geworden, und nur seiner braven Frau war

Der ,Neue" hatte längst ausgegoren und lag glockenhell
im Faß, darauf wartend, daß er „abglo", d.h. von
der Hefe genommen würde. Am frühen Vormittag hatte
sich auch unser Chasper diese Arbeit vorgenommen.

Schon war ein Faß entleert, der Wein versorgt und
das leere Faß „putzt un gschweflet". Der Chasper stand
auf der Faßleiter und wollte gerade den „Bunden" am
zweiten Faß herausnehmen, als etwas geschah, das ihm
eine Gänshaut über den Rücken jagte. Auf unerklärliche
Weise hatte sich der Zapfen eines bis an das Spundloch
gefüllten Fasses gelöst. In weitem Bogen sprang der edle
Sylvaner auf den Kellerboden. Mit raschem Sprung war
der Chasper unten und versuchte, weil er den herausgeschleuderten
Zapfen nicht fand, mit der Hand die kostbare
Quelle zu stopfen. Der Druck war jedoch zu stark,
und er merkte bald, daß, wenn ihm nicht jemand zu
Hilfe käme, das Faß leerlaufen würde. So schrie er denn
aus Leibeskräften um Hilfe. Seine Frau, eben in der
Küche mit Teigkneten beschäftigt, eilte so schnell sie
ihre Füße tragen konnten, in den Keller. Rasch hatte
sie die Lage übersehen, die Situation entdeckt. Wie eine'
Erleuchtung kam es über sie: jetzt ist meine Stunde
gekommen, jetzt ist der Tag des Herrn! Schnell war sie
wieder oben, holte sich aus dem Stall einen Prügel, und
schon stand sie wie ein feuriger Cherub hinter ihrem
Chasper im Keller. „Chasper!" rief sie mit Donnerstimme
, daß es im Gewölbe dröhnte, „uff so-ne Stündli ha-ni
scho lang paßt, jetz wäm-mer Zahltag mache. Heb mr
guet d'Hand uff's Loch, i rot drs, un buck di guet;
für jede Tropfe wu drnebe goht, git's e Streich mehr!
E Schinderlebe ha-ni gha all die Johr, un du hesch nit
anders gwüßt as suffe un krakehle un mi z'ploge!"
Sprach's, und nun sauste der Stock auf das Hinterteil
unseres Chasper, daß er sich krümmte und bäumte. Als
sie endlich erschöpft innehielt, war freilich das Faß fast
leer, dem Chasper aber war von Stund an der Saufteufel
ausgetrieben. Bleich und pudelnaß stand er, ohne
ein Schimpfwort zu gebrauchen, vor seiner Frau. Er hat.
ihr zwar damals nicht versprochen, daß er sich bessern
wolle, aber er hat's getan. Die Prügel hatten ein Wunder
bewirkt.

Noch fünfzehn Jahre lebte er mit seinem Weibe zusammen
und ist mit Treue'und Fleiß seiner Arbeit nächgegangen
. Vor seiner Frau aber hatte er von da an
einen heiligen Respekt. Ging hinfort den „Ochsen",
„Bären" und „Leuen" wie dem Leibhaftigen aus dem
Weg, und ist endlich als braver Mann in Frieden heimgegangen
.

Motiv aus Müllheim

Federzeichnung von H von Preen <Bctt flCUßt mand^tl, Ütt ifyttl tltd)t ÖOnft

es zu danken, daß ihm nicht Haus und Hof durch die
Gurgel liefen. Die arme Frau aber hielt mit Tränen und
eiserner Sparsamkeit das Heimwesen zusammen, immer
wieder hoffend, ihrem Chasper werde einmal Erkenntnis
und Einsicht aufgehen, und eines Tages werde er
wieder mit nüchternen Sinnen das Wohl des Hofes und
Hauses in die Hand nehmen. Aber statt besser wurde
es immer schlimmer; das Chätterli schaffte ihm bald
nicht mehr genug, obwohl ihr durch die schwere Arbeit
der Rücken gebeugt und die Hände schwielenhart geworden
waren. Hielt sie ihm sein schändliches Leben
vor, so schlug er sie sogar bisweilen. Wenn er sie anredete
, so tat er es nur noch per „Alti"; sein früheres
„Chätterli" hatte er längst im Wein ersäuft. Ging er
aus, so waren es die „Ochsen",' „Bären" und „Leuen",
denen er seine Visite machte. Schwer „geladen" trat er
dann gewöhnlich den Heimweg an. Mit Angst und Zittern
erwartete ihn daheim sein armes Weib.

So war es wieder einmal Dezember geworden. Draußen
lag frischer Schnee, und über Tal und Berg hatte
der Winter seinen Zaubermantel ausgebreitet.

Zum Beispiel, wenn dich früh die Sonne zu einem
neuen kräftigen Leben weckt, so bietet er dir: Guten
Morgen. Wenn sich abends dein Auge zum erquicklichen
Schlummer schließt: Gute Nacht. Wenn du mit gesundem
Appetit dich zur Mahlzeit setzest, sagt er: Wohl
bekomm's. Wenn du eine Gefahr noch zur rechten Zeit
entdeckst, so sagt er: Nimm dich in acht, junges Kind,
oder altes Kind, und kehre lieber wieder um! Wenn du
am schönen Mittag im Blütenduft und Lerchengesang
spazieren gehst, und es ist dir wohl, sagt er: Sei willkommen
in meinem Schloßgarten. Oder du denkst an
nichts, und es wird dir auf einmal wunderlich im Herzen
und naß. in den Augen, und denkst, ich will doch anders
werden als ich bin, so sagt er: Merkst du, wer bei dir
ist? Oder du gehst an einem offenen Grab vorbei und
es schauert dich, so denkt er just nicht daran: daß du
lutherisch oder reformiert bist, und sagt:

Gelobt sei Jesus Christ! Also grüßt Gott manchen, der
ihm nicht antwortet und nicht dankt.

Johann Peter Hebel.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1949-01/0007