http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1949-01/0008
Die Markgraf schaft
HEIMAT UND MUTTERSPRACHE
Von Fr itz vom Klcmmbach
Heimat! Welch lieblicher Wohlklang liegt doch in
diesem Wort! — Für viele freilich mußte erst unsere
gegenwärtige ernste Zeit kommen, um ihnen deutlich zu
machen, wieviel und was sie unter dem Wort und Begriff
Heimat zu verstehen haben. Die Heimat war ihnen etwas
Selbstverständliches und Sicheres, und der Gedanke, daß
man sie verlieren könnte, ist wohl von vielen nie gedacht
oder erwogen worden. Umso härter traf sie dann der
Schlag des Schicksals, als es sie aus ihrem Dorf und
Heimwesen hinaustrieb, und sie das Los des Fremdseins
schmecken ließ. Manchem ist sein verlorenes Dörflein,
wo er früher kaum den Puls schlag der Zeit verspürte,
„nichts los war", wie man im Volksmund zu sagen pflegt,
erst im Moment des Darauf-verzichten-müssens zur Heimat
geworden.
Auch unsere Gefangenen im fernen Rußland — mit
wieviel Sehnsucht und Liebe umspannen ihre Gedanken
und Sinne die Heimat, und welche Freude löst es bei
ihnen aus, wenn nach den doppelt langen Jahren des
Gefangenseins endlich die Stunde der Heimkehr für sie
schlägt.
Daß es bei uns im Markgräflerland anders wäre, wird
gewiß niemand behaupten wollen. Unser Land am Oberrhein
hat der Schöpfer mit Schönheit tausendfältiger Art
geschmückt. Trunken schaut das Auge von den tannen-
umrauschten Höhen des Schwarzwaldes in gesegnete,
liebliche Täler, auf rebenbekränzte Hügel und mißt mit
dankbarem Herzen die fruchtbaren Weiten der Rheinebene
. Ein schönes Land! Lieblicher Dreiklang: Berge,
Hügel und Ebene.
Und doch: wie oft kam es schon vor, daß Fremde es
sein mußten, die uns auf diese Schönheit aufmerksam
machten und sie uns erst sehen ließen. Gedankenlos und
abgestumpft leben viele dahin, blind für alles, was der
Schöpfer mit so großer Eindringlichkeit und Erhabenheit
um uns aufgebaut hat.
Und wie steht es mit der Muttersprache? — Ist sie
noch der lebendige Quell unseres Volkstums? Der gewachsene
Ausdruck unserer alemannischen Art? — Ist
es nicht schon soweit, daß viele, dank ihrer „modernen
Aufgeschlossenheit" ihre Muttersprache überhaupt nicht
mehr verstehen wollen? — Das alte liebe „Chuchi-
chänsterli" ist durch das „Chuchibüffe" ersetzt, man geht
nicht mehr in „d'Chilche", sondern in „d'Kirch", me isch
au nimmi „gsi", sondern man „war". Und der „Tschobe"
heißt jetzt Kittel oder gar schon Rock usw. So kommt
es, daß viele unter uns die liebliche Sprache Hebels
nicht mehr verstehen und nach einem Dolmetscher
suchen müssen.
Eine traurige Tatsache ist auch, daß es Markgräfler
gibt, die, sobald sie mit Menschen aus nördlichen Zonen
zu tun haben, ihr Alemannisch verleugnen, weil sie der
Hegenabend
Einsamer Wald im Regen,
Nebel darüber fliehn,
Stille auf allen Wegen,
Niemand will mehr wohin.
Einsames Herz am Fenster,
Scheiben sind alle blind,
Tanzende Nachtgespenster
heulen juchhe im Wind.
L. B.
törichten Meinung sind, es gehöre zum guten Ton.
„Hochdeutsch" zu reden, obwohl dies von der anderen
Seite weder verlangt noch gewünscht wird. Abgesehen
davon, daß in vielen Fällen dieses Hochdeutsch ein ganz
erbärmliches Kauderwelsch ist. — Bleiben wir doch bei
unserer Muttersprache! Sie soll uns nicht nur gut genug,
sondern lieb und wert sein.
Wer etwas von uns will, wird uns verstehen müssen,
und wer sich bei uns wohnlich niederläßt, wird, wenn
wir ihm dies deutlich machen, auf unsere Art eingehen,
oder er wird ein Fremdkörper bleiben. Nur auf diese
Weise können wir Unser Volkstum behaupten und ihm
die nötige Geltung verschaffen. Mit Halbheiten ist auch
hier nichts getan. Der Gedanke an unsere schöne Heimat
wird und muß allen ein Ansporn sein, sie auch in
sprachlicher Hinsicht zu fördern. Die vielen fremden
Stimmen um uns müßten uns eigentlich alarmieren.
„Heimet un Muedersprocrr gehören zusammen. Hebel
hat sie uns in lichtvoller Weise durch seine Dichtungen
dargestellt und lebendig gemacht. Sein Werk muß auch
unser Werk sein, verpflichtend und mahnend.
Der Pakt / Ernst Ochs
Fern vertoste die Schlacht. Die Winzer kröchen aus
ihren Kellern, stiegen noch einmal hinab und kehrten
mit einer guten Flasche wieder.
Im Trichterfelde verblutete ein junger Mann, durch
das schöne Haupt geschossen. Er rief Gott und alle Heiligen
an und lästerte. Da trat der Tod zu ihm. „Ich bin
einundzwanzig Jahre alt und habe nicht gelebt!", schrie
der Stenbende, „ich will ein Kind von meiner Frau, die
nie mein Weib ward! Ich will in meiner Heimat begraben
sein!" „Barmherziger bin ich als du wähntest", erwiderte
der Tod. „Ich gebe dir Urlaub, aber du wirst
mir dafür fluchen. Und sobald dich der Urlaub reut, bist
du mein für immer und mußt mir noch zwei deinesgleichen
zubringen!"
„Topp!" sagte der Soldat, und schon marschierte er,
bleich, mit verbundener Schläfe, aber froh, heimwärts
über die Grenze. Dort fiel er auf seine Knie, küßte die
Erde und sang:
„O heilig Land! Heilig wie du aus des Ewigen Hand
hervorgegangen bist! Und wärest du zehnmal verbrannt
und geschändet, heilig bist du und keusch! Wie rein ist
Deine Luft, wie zärtlich murmeln deine Quellen! Ewig
sind deine Berge, und die Wolken über deinen Wäldern
sind die schönsten auf Erden. Vergib deinem Sohn, daß
er früher nicht wußte, wie lieblich du bist!"
Als er nun in eine Stadt kam, war da Schutt, nichts
als Schutt. Als er im nächsten Dorf um eine Suppe
fragte, waren die Gasthäuser geschlossen und die Bauern
machten ihm das Hoftor vor der Nase zu. Als er auf
einem Bahnhof wartete, riß ihm eine johlende Menge
seine Kriegerehre von der Brust. Im überfüllten Zug
aber sank er in den Schlaf der Genesung und erwachte
wie neugeboren: da hatte man ihm die letzte Brotschnitte
, das Geld und die Ausweise gestohlen. In der
Hauptstadt wollten sie diese Papiere sehen, schickten ihn
von einer Schreibstube zur anderen und wiesen ihn
schließlich hinaus. Seinen Arbeitsplatz fand er besetzt.
Spät am Abend entdeckte er in der Kleinbahn den
Bürgermeister seiner Gemeinde und schloß ihn stürmisch
in die Arme. „Sachte!", mahnte der Verlegene, „es ist
bei uns nicht alles wie ehedem. Daß ich's nur gleich
sage: Auch die jungen Frauen waren nicht immer brav!"
„Vergeben!" flüsterte der Jüngere, „ich habe alles
Vergangene vergessen. Wir werden ein neues Leben anfangen
."
„Ein gutes Wort!" meinte der Bürgermeister. „Ich
will's ihr doch gleich sagen. Kommen Sie eine halbe
Stunde nach mir!" Entschlossen schritt der Alte voraus.
Die Frau aber hatte gerade einen fremden Knecht bei
sich. Der stand auf, nahm ein Beil, stellte sich an die
Haustür und schlug es dem Angemeldeten auf den Kopf.
Dann warf die Frau ihren Mann auf einen Bretterwagen
und deckte ihn mit Mist zu.
Da trat der Tod in den Hof und fragte: „Nun?"
„Ich danke dir," betete der Erstickende, „daß ich daheim
sterben darf."
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1949-01/0008