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Die Markgrafschaft
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Altes und Neues vom Weinbau
Von Karl Laier jg.
Wenn man an einem schönen Herbstabend unter
der großen Linde auf dem „Luginsland*' sitzt
und seine Blicke über die gottgesegneten Fluren
unserer Heimat schweifen läßt, dann wird sich
schon mancher beim Anblick unserer Rebberge
gefragt haben, wie lange wohl hier schon Reben
wachsen.
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten,
denn schriftliche Aufzeichnungen über unseren
Weinbau besitzen wir erst aus dem achten Jahrhundert
unserer Zeitrechnung. Wir wissen jedoch,
daß in Baden schon in den Wäldern der Tertiärzeit
, also vor 5 bis 6 Millionen Jahren, Wildreben
gewachsen sind, wie Versteinerungen von Rebblättern
und Rebsamen, die in den Steinbrüchen
der Gemeinde öhningen am Bodensee gefunden
wurden, beweisen. Diese Wildreben wurden jedoch
durch die Hunderttausende von Jahren während
der verschiedenen Eiszeitperioden vernichtet
. Man nimmt jedoch an, daß sie sich in der
Rheintalsenke erhalten und nach der letzten Eiszeit
weiter ausgebreitet haben. Armdicke Stämme
kletterten an den Bäumen hoch und in den
Baumkronen reiften die Beeren. Am Westrand
des Kaiserstuhls, z. B. an der Sponeck waren solche
Wildreben bis vor etwa 30 Jahren noch in
vielen Exemplaren vorhanden, während sie heute
nur noch vereinzelt vorkommen. Die Bewohner
des Rheintales, die schon über 10 000 Jahre nachweisbar
sind, werden die ihnen von der Natur
gebotenen Trauben der Wildreben nicht verschmäht
haben, denn im Abfallschutt der aus der
Broncezeit stammenden Pfahlbauten, also vor
etwa 4000 Jahren, wurden Rebkerne der Wildrebe
festgestellt.
Als zur Keltenzeit die Bevölkerung seßhaft
wurde und sich der Bebauung der Felder widmete
, wird man eine so wertvolle Frucht wie die
Traube wahrscheinlich auch schon in Kultur genommen
haben, denn das Sammeln der Trauben
auf den Baumgipfeln war damals eine ebenso
gefährliche und oft aussichtslose Sache, wie zu
unserer Zeit, als die Wildreben in den Wäldern
am Rhein noch in großer Zahl gediehen. Die
Kelten waren auch in unserer Gegend ansäßig,
wie ein in den 90er Jahren auf der Guckerhalde
am Ostrand des Reggenhag, aufgefundener Keltenfriedhof
beweist und man darf wohl annehmen
, daß zur damaligen. Zeit schon Reben im
Reggenhag gepflanzt worden sind.
Als die Römer in unser Gebiet eindrangen,
werden sie wohl auch die damals vorhandenen
primitiven keltischen Rebsorten durch Einführung
besserer Reben aus dem Süden, sowie durch
geeignetere Kultur neu belebt haben. Die römische
Besatzung am Oberrhein soll aus vier Legionen
, also mit den Hilfsvölkern, zusammen aus
etwa 40 000 Mann bestanden haben. Die römischen
Ansiedler, darunter die vielen Veteranen
des römischen Kaiserreiches, werden die ihnen
aus der Heimat bekannte Rebkultur auch in unserer
Gegend betrieben haben, um sich den Wein,
den sie von der Heimat her gewöhnt waren, billig
zu verschaffen.
Viele im Weinbau übliche Bezeichnungen lassen
sich vom Lateinischen ableiten, z. B. Wein —
vinum, Keller = cellaria, Küfer ^ cuparius usw.
Auch die Feldmaße gehen auf die Römer zurück.
Aus dem römischen jugerum wurde unsere Juchert
oder Jauchert. Römischen Ursprungs ist auch die
Bauweise der früher in großer Zahl vorhanden
gewesenen Baümkeltern m oder Torkeln (vom lat.
torculum). Es kann also trotz Fehlens schriftlicher
Urkunden kein Zweifel über die römische
Entstehung unseres Weinbaues bestehen, denn
die Ubereinstimmung zahlreicher Fachausdrücke
der Weinbautechnik, Flächenmaße und Weinbaugerätschaften
mit den von Römern bekannten ist
auffallend.
Die Römer wurden gegen Ende des 4. Jahrhunderts
von den Alemannen verdrängt, und es
ist nicht anzunehmen, daß diese die vorgefundenen
vcker oder Weinberge verwahrlosen ließen,
oder gar die Reben vernichteten; waren die Alemannen
doch ebenfalls Ackerbauern und Viehzüchter
und konnten den Wert der landwirtschaftlichen
Scholle ermessen. In zwei alemannischen
Gesetzen, der um das Jahr 500 entstandenen
Lex Burgundionum und der gegen Ende des
6. Jahrhunderts entstandenen Lex Ripuaria LX
ist vom Weinbau bereits die Rede, und die Neuanlage
von Reben wird durch diese Volksrechte
begünstigt.
Mit der Unterdrückung der Alemannen durch
die siegreichen Franken wandelten die fränkischen
Herrscher, die zum Christentum übertraten
, das freie Eigentum der ursprünglich freien
alemannischen Bauern in Königsgut und Fron-
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