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Die Ma r kg r a f s c h a f t

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Ein Müllheimer Original

Von Ida P r e u s c h - M ü 11 e r

Aus meiner Kinderzeit erinnere ich mich des
alten Büß. Er wohnte zu jener Zeit in einer Dachkammer
meines großelterlichen Hauses in Müllheim
. Ich sehe ihn heute noch vor mir, den großen
, breitschultrigen Alten mit seinen roten Bak-
ken mit weinroter Nase, schneeweißem Haar und
ebensolchem Napoleonsbärtchen. Unter buschigen
Augenbrauen schauten ein paar ganz verschmitzte
Augen hervor, und wenn seine tiefe Stimme
dröhnte, und seine schweren, polternden Schritte
Großvaters Treppe herunterkamen, packten mich
Angst und Neugier gleich stark, und ich rannte
klopfenden Herzens in die
schützende Wohnstube, um
dort mein Gesicht an eine
schmale Türspalte zu drük-
ken und neugierig hinaus-
zugückeln.

Bliß war lange Jahre
schon Witwer und hatte
kein eigenes Heim mehr,
sondern schusterte nur noch
in den Häusern. Sein ganzer
Verdienst, soweit er
nicht für das Lebensnotwendigste
gebraucht wurde,
wanderte ins Wirtshaus, und
er konnte gar oft sagen:
„Freu di Gürgeli, 's git e
Dur marsch."

Saß er an der Arbeit, so
schaffte er wie ein Junger,
aber die Pausen zwischen
den Arbeitstagen, in denen
er keinen Hammer anrührte
, waren oft lange.
Wenn er ein bis zwei Tage
in einem Hause gearbeitet
hatte, so verlangte er gewöhnlich
am Feierabend
einen Vorschuß, und war
dann ein oder mehrere
Tage unsichtbar, bis die
Geister des Alkohols ihre
Wirkung verloren hatten. Er konnte so treuherzig
betteln, daß die Leute seinem Verlangen
immer wieder nachgaben.

Bei der alten Frau Bollin in der Badgasse bat
er einmal am Abend des zweiten Arbeitstages:
„Bollene, gämer doch anderhalbi Mark/' Auf ihre
Frage, warum nicht eine oder zwei, antwortete er
immer nur: „Gämer jetzt anderhalbi Mark." So
erhielt er diese und ward zwei Tage nicht mehr
gesehen. Am dritten Morgen erschien er harmlos
und setzte sich auf sein Dreibein, um die Arbeit
wieder aufzunehmen, wie wenn er sie am Abend
zuvor erst unterbrochen hätte.

Bliß erzählte gerne aus früheren Jahren, so
auch aus der Zeit, als er heiraten wollte. Anfangs
der sechziger Jahre bestand noch das Gesetz, daß
ein Paar, das einen Hausstand gründen wollte,
zusammen ein Vermögen von 200 Gulden besitzen
müsse. Er und seine Braut hatten nun beide

Pascha Bliß"

nichts, und bekamen daher die Erlaubnis zur
Heirat nicht. Darauf ließ der Oberamtmann Bliß
privatim zu sich kommen, redete ihm ins Gewissen
und sagte ihm unter anderem: „Bliß, jetzt ist
Er doch so lange Jahre in der Fremde gewesen,
da hätte Er sieh doch etwas ersparen können."
Bliß sah ihn an, und der Schalk saß ihm in den
Augen, als er zur Antwort gab: „Herr Oberamtmann
, wo ich in d'Fremde bi, isch in mim Wan-
derbuech gstande, ich soll ehrlich sy und rechtschaffe
, un my Handwerch recht lehre, aber, vom
spare, Herr Oberamtmann, vom spare isch nüt

drin gstande." Der Oberamtmann
drehte sich nach
dem Fenster und verbiß ein
Lächeln. „Bliß, Er kann
gehen." Darauf hin wurde
dem Brautpaar die Heiratserlaubnis
erteilt.

Sein loses Mundwerk
nahm ihm niemand übel,
er war nun einmal so ein
Kerl, und man konnte ihm
nicht zürnen. Einmal, als
er beim alten Bürgermeister
Bär gearbeitet hatte,
und dieser ihm seinen Lohn
auszahlte, sagte Bliß: „So,
das wird jetzt rumpis un
stumpis versöffe, das Geld,
wo me bim Burgemeister
verdient, bringt aim doch
kai Glück."

Er ließ sich auch foppen
und tat, als ob ers glaubte.
$, Der Kallmann-Niki zog ihn
eines Tages im Wirtshaus
auf, und stichelte, er ließe
sich doch vom Bliß keine
Stiefel anmessen, er kaufe
sich diese fertig, und wenn
sie kaput seien, werfe er
sie auf den Mist. Daraufhin
stand Bliß stillschweigend
auf und wollte die Wirtsstube verlassen.
Auf die Frage anderer Gäste, wohin er so eilig
wolle, sagte er: „E Profit mache, i will in's Kallmanns
Hof, go uf em Mischthufe d'Stiefelrohr
z'sämme lese." Da hatte er die Lacher auf seiner
Seite.

„Gleiche Seelen finden sich", heißt es. So hatte
auch Bliß eine Seele von einem Zechbruder gefunden
, den alten Schuster Klett, der oft mit ihm
beim Schöpple saß. Eines Tages saßen beide im
„Schwanen". Nun ist zu sagen, daß Bliß immer
sehr ordentlich angezogen war. Da kam ein fremder
Herr herein, setzte sich an ihren Tisch und
stellte sich als Klavierstimmer vor. Offenbar war
dieser etwas „vo dulbe", sonst hätte er sich nicht
so zum besten haben lassen. Also Bliß stellte sich
als Oberamtmann vor, seinen Freund Klett als
Amtsrichter, und im Gespräch erwähnte Bliß,
dessen Frau damals noch lebte, er hätte zu Hause


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