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Die Markgrafschaft
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auch ein stimmungsbedürftiges Klavier stehen.
Er gab dem Fremden Straße und Hausnummer
an, und schickte ihn zu seiner Frau. Während
Bliß sich einen frischen Schoppen bestellte und
die beiden Zechbrüder sich ins Fäustchen lachten,
machte sich der Klavierstimmer auf den Weg und
fand auch richtig des „Oberamtmanns" angegebene
Wohnung. Wohl erstaunt über die ärmliche
Umgebung, trat er doch ein und Frau Bliß fragte
nach seinem Begehren. Der Herr Oberamtmann
habe ihn hergeschickt, um das Klavier zu stimmen
, Wortlos schaute die Frau ihn erst an, dann
dämmerte ihr etwas. Sie nahm den Herrn am
Arm, zog ihn in die Schusterbude, in der alles
durcheinander lag wie Kraut und Rüben, und
sagte: „So, do häner im Herr Oberamtmann sy
Studierstube, un — auf den Schusterschemel
deutend — dort isch's Klavier. Stimmets!"
Vom „Herrgott", der sich nicht lumpen liefe und die Zeche bezahlte
Von Karl K r a u s - M a n n e t s t ä 11 e r
Es war aber auch ein sonderbarer Mensch, dieser
Marquard Hergott! Die kleine Kapelle, in der
er beigsetzt ist, erinnerte sich noch deutlich, wie
der damalige sankt-blasische Probst nach Krozingen
kam. Er war 1694 in Freiburg als Sohn des
Chirurgen Johann Jakob Hergott und dessen
Gemahlin- Elisabeth geboren, wurde später Mönch
und im Jahre 1718 im Kloster zu St. Blasien zum
Priester geweiht, wo er den Namen Marquard
erhielt. Sein Weg führte ihn alsbald nach Paris
und später nach Wien, wo ihm die hohe Ehre zuteil
wurde, als Vertreter der breisgauischen Landesstände
an den Hof der Kaiserin Maria Theresia
berufen zu werden. Von dort kehrte er nach
zwanzig Jahren, reich an Erfahrung, aber auch
reich an Enttäuschung, in die Stille des Breisgaudorfes
zurück, wo ihm der Fürstabt von
St. Blasien die Statthalterei der Herrschaft Staufen
, nebst der Probstei Krozingen übertrug. Als
„Krozinger Herrgott", wie ihn die Leute nannten,
verstand es der einstige Gesandte ausgezeichnet,
seinen neuen „Wittibsitz" gut und „kommod"
einzurichten. Neben den zahlreichen Wissenschaften
galt sein besonderes Interesse der Bienenzucht
und den Maulbeerpflanzungen; wie ,man
sich auch von seiner Fröhlichkeit und seinem
Humor gar köstliche Dinge zu erzählen wußte.
Machte er da eines schönen Tages eine Reise
nach dem nahen Basel. Beim „Dreikönigswirt"
wurde Quartier bezogen, wo es sich der hohe Gast
mit seinem großen Gefolge etliche Tage vortrefflich
gefallen ließ, der guten Küche ergiebig zusprach
und allen Anlaß hatte, den bekannten
Keller besonders zu loben. Wie alles im Leben,
so hatten auch diese schönen Tage ein Ende und
es kam die Stunde, wo der Dreikönigswirt seinem
hohen Gast die Rechnung präsentierte. Es
soll nun geschehen sein, — so wird erzählt -—
daß die Augen des Statthalters über die Höhe
der Summe immer größer und größer wurden
und er schließlich vom Wirt Aufklärung über die
hohe Rechnung verlangte. Konnte er sich doch
beim besten Willen nicht entsinnen, auch nur
annähernd eine solche Zeche gemacht zu haben.
Der Wirt, keine Sekunde verlegen, schob indes
sein Käppchen vom linken auf das rechte Ohr
und antwortete mit schlauem Lächeln: „Euer
Durchlaucht müssen wissen, daß bei mir im Laufe
der Jahre sehr viele Fremde zu Gast waren;
unter ihnen auch nicht gerade wenig Ordensbrüder
und Ordensschwestern. Viele davon vergaßen
bei der Abreise das Zahlen und tröseten mich
mehr als einmal, der „Herrgott" würde einmal
später bestimmt alles auf Heller und Pfennig
bezahlen! Da ich nun einmal in die unwahrscheinlich
hohe Gunst gekommen bin, den Herrgott persönlich
bei mir zu haben, muß ich mich schon an
ihn halten!" Uber soviel Pfiffigkeit mußte selbst
der Statthalter lachen, ließ sich nicht lumpen und
bezahlte schmunzelnd die Zeche auf Heller und
auf Pfennig und blieb als Hergott weiterhin ein
guter Mann, bis er 1762 in Krozingen starb.
Der kluge Sultan
Zu dem Großsultan der Türken, als er eben an
einem Freitag in die Kirche gehen wollte, trat
ein armer Teufel von seinen Untertanen mit,
schmutzigem Bart, zerfetztem Rock und durchlöcherten
Pantoffeln, schlug ehrerbietig und
kreuzweise die Arme übereinander und sagte:
„Glaubst du auch, großmächtiger Sultan, was der
Prophet sagt?" Der Sultan, so ein gütiger Herr
war, sagte: „Ja, ich glaube, was der Prophet
sagt." Der arme Teufel fuhr fort: „Der Prophet
sagt im Alkoran: Alle Muselmänner (das heißt
alle Mohammedaner) sind Brüder. Herr Bruder
sei so gut und teile mit mir das Erbe." Dazu
lächelte der Kaiser und dachte, das ist eine neue
Art, ein Almosen zu betteln, und gibt ihm einen
Löwentaler. Der Türke beschaut das Geldstück
lang auf der einen Seite und auf der anderen
Seite. Am Ende schüttelt er den Kopf und sagt:
„Herr Bruder, wie komme ich zu einem schäbigen
Löwentaler, so du doch mehr Gold und Silber
hast, als hundert Maulesel tragen können, und
meinen Kindern daheim werden vor Hunger die
Nägel blau, und mir wird nächstens der Mund
ganz zuwachsen. Heißt das geteilt mit einem
Bruder?" Der gütige Sultan aber hob warnend
den Finger in die Höhe und sagte: „Herr Brud r,
sei zufrieden, und sage ja niemand, wieviel ich
dir gegeben habe, denn unsere Familie ist groß,
und wenn unsere andern Brüder auch alle kommen
und wollen ihr Erbteil von mir, so wird's
nicht reichen, und du mußt noch herausgeben."
Das begriff der Herr Bruder, ging zum Bäckermeister
Abu Tlengi und kaufte ein Laiblein Brot,
der Kaiser aber begab sich in die Kirche und
verrichtete sein Gebet. Joh. Peter Hebel.
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