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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1949-03/0003
DIE MARKGRAFSCHAFT

Nr. 3 / 1. Jahrgang Monatszeitschrift für das Markgräflerland

November 1949

au

Von L. Börsig

Der gläubige Christ hat sich ein Symbol seines
Glaubens geschaffen, das so viel Tröstliches und
Wunderbares in sich enthält, wie kaum eine andere
Erscheinung, nämlich: das Licht. Das Licht
der Kerze oder der Lampe als schwacher Abglanz
göttlicher Helle ist die Tröstung im Dunkel des
Schmerzes und der Einsamkeit, in der wir die
Lebensangst verspüren, die Angst, die die Nähe
des Todes anzeigt. Lichter
stellen wir unseren Toten
auf, weil wir ihr Todsein,
ihr Hingeschiedensein bannen
wollen; das Licht, das
wir am Grabe eines lieben
Verwandten oder Freundes
entzünden, ist der Ausdruck
eines tiefen Glaubens
, der auf ein Wiedersehen
in einem ewigen
Licht hofft. Das Totenlicht
ist symbolhafte Verbindung
zwischen dem Vergänglichen
und dem Unvergänglichen
.

Wenn der Novemberwind
in der düsteren Stimmung
des Nachherbstes
nasse Nebelfetzen in den
leeren Bäumein peitscht,
wenn die graue Dämmerung
über Wald und Feld
kommt und unser Gemüt
so recht der Tröstung bedarf
, dann ist es ein eigenes
, ans Herz greifendes
Erlebnis, auf einem Friedhof
still durch die Gräber
zu gehen, von niemand

gestört und niemand störend. Irgendwo flackert
ein Licht auf einem Grab, und dabei steht eine
verlassene Gestalt, einsam in sich versunken, unbeweglich
, kaum erkennbar in den ziehenden Nebelschwaden
. Die Gestalt ist in ihrer leichten Beugung
nach vorne zum Grab hin über das Lichtlein
hinweg ein graues Bild des Schmerzes und der
Verlassenheit. Aber sie hütet auch das Licht, das
in dem feuchten Abend hin und her kleine
Schimmer weht, Vergängliches und Unvergängliches
seltsam mischend. Und dann werden von
der kommenden Dunkelheit das Lichtlein und die
Gestalt immer kleiner, bis sie auf einmal verlöschen
. Du hörst feste gleichmäßige Schritte, die
sich entfernen, dem Leben zu. Es bleibt Geheimnis
, was an Schmerz und Trauer, an Sehnsucht
und Verlassenheit in jenes kleine Totenlicht
hineinversenkt wurde.

Lichter der Hoffnung entzünden wir wieder,
es sind gleichsam Lebenslichter, Lichter der Erwartung
und Lichter der Verheißung, die wir auf
den Adventskranz stecken, in der Erwartung der
verheißenen Erlösung, des Festes der Liebe und
des Friedens. In der Hast und Unrast unserer
Zeit, in der wachsenden Dunkelheit des Jahres,
an den langen Abenden, schenken sie uns Stun-

D e r Li n d e n h o f

Federzeichnung von F. Fischer

den der Besinnung, die uns zum Köstlichsten
gehören. Welche Hoffnungen werden gerade im
kommenden Advent von diesen, Lichtern umstrahlt
, Hoffnungen, die vielleicht über viele
tausend Kilometer zu einem Gatten oder Bruder
oder Sohn gehen, der noch hinter Stacheldraht
vor Heimweh friert, Hoffnungen, die das Adventslichtlein
begleitet auf der Suche nach Verschollenen
, Verlorenen, nach einer Herberge der Menschlichkeit
. Wenn wir daran denken und selbst vielleicht
erfahren haben, wie sich in diesen Tagen
gläubige Zuversicht und Wehmut in den Herzen
der Verlassenen, der Heimatlosen und Irrenden
mischen, dann sind uns die Lichter, die wir in der
Geborgenheit unserer Häuslichkeit und unserer
Familie entzünden, auch Mahnung, eben jene Herbergen
der Menschlichkeit zu bauen, wo immer wir
können. Denn der Friede setzt das Opfer voraus.


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