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Die Markgrafschaft
das seine Kirchenglocken behalten durfte, trotzdem
der alles zerstörende Krieg auch dieses alte
Dörfchen am Hohlenbach nicht verschonte. Doch
die Stahlglocken aus dem Jahre 1924 blieben,
wohl als das einzige Glockengeläute der weiten
Umgebung. Den wohlklingenden Tönen lauscht
jeder Einheimische und Fremde, wenn sie in den
Bergen des Vorschwarzwaldes, dem Blauen zu,
oder hinaus durch die Täler nach der Ebene hin
schallen.
Dieses kleine Dörfchen am Hohlenbach ist
allen Chronisten und Heimatforschern wohlbekannt
. Interessant ist hier zunächst in dem Kirchlein
der gotische Chor und besonders das Kirchenschiff
, das in seinen Deckengemälden wirkliche
Sehenswürdigkeiten aufweist. Bei einem
Umbau des Kirchenschiffes um 1429, als das
Schiff erhöht und der formschöne Chor erbaut
wurde, mögen sie entstanden sein. Später wurden
sie weiß übertüncht und erst im Jahre
1901 wieder aufgedeckt und durch den Maler
Theodor Mader in der ursprünglichen Weise
wieder hergestellt. Über den fünf Fenstern des
Chors sehen wir an der Decke desselben biblische
Männergestalten mit Symbolen der vier Evangelisten
. Die Gottheit, Christus, sowie eine kleine,
kniende Männergestalt, ferner die Auferstehung
und die Krönung der Muttergottes durch
Christus, Engelsgestalten und die fünf klugen
und die fünf törichten Jungfrauen. Von dem
alten Flügelaltar ist nur noch der untere Teil
erhalten. Die erste Orgel war ein Werk des Rheinfelder
Orgelbauers Blasius Bernauer. Sie wurde
1783 mit sechs Pferden dort abgeholt und später,
als die Orgelempore abgebrochen wurde, kam sie
an die Turmseite. Ein neues Gestühl, Altar und
Kanzel ersetzten 1902—1904 die alten. Der Taufstein
trägt die Jahreszahl 1661. Noch befinden
sich einige sehenswerte Grabsteinplatten aus der
Zeit von 1673 bis 1723 an der inneren und äußeren
Kirchenmauer. In diesen kurzen Hinweisen
und Daten drückt sich schon eine ganze Dorfgeschichte
aus.
Malerisch liegt der kleine Friedhof über der
Kirche und von hier aus bietet sich ein entzückender
Blick hinüber nach dem Hagschutz,
nach der St. Johannisbreite, nach Schloß Bürgeln
und dem Hochblauen hin. Kein Wunder, daß hier
sich schon seit undenklichen Zeiten Menschen
angesiedelt, an diesen Heimstätten gehangen, sie
umhegt und darum gekämpft haben.
Ein eigenartiger Bergkegel, der Hagschutz, erhebt
sich südlich über dem Dorf. Noch heute
erkennt der Eingeweihte hier Spuren einer Steinumwallung
, ein uralter Wohn- und Verteidigungsort
der Talbewohner. Es sind zwei steinzeitliche
Besiedlungen festzustellen, eine davon
zeigt Pfahlbauanlagen. Tief im Bachkies fanden
sich auch Überreste von zwei Rindern und einem
Schwein, woraus sich auf Tierzucht der frühesten
Bewohner schließen läßt. Aus der Bronzezeit
wurde ein Grab an der „Sonnhohle" aufgedeckt
, vermutlich das Grab eines Edlen.
Aus der Römerzeit fanden sich römische Münzen
. U. a. kam eine Münze mit dem Kopf des
Germanikus, der im Jahre 19 n. Chr. starb, in
einem Rebberg zutage, sowie eine Münze des
Augustus und ein kleines Silberstück mit Kaiser
Hadrian, der um die Jahre 117—138 regierte.
Vieles ging verloren durch die Jahrhunderte,
aber manches Stück einer frühen Zeit mag noch
in der Erde ruhen.
Infolge eines Pfarrhausbrandes im Jahre 1693,
welchem die Kirchenbücher zum Opfer fielen, ist
wenig aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
bekannt. Doch mag das Dorf, wie die meisten
Markgräfler Dörfer, schwer gelitten haben.
In den ältesten Urkunden, z. B. in den Aufzeichnungen
des Klosters Lorsch bei Worms, das
wie St. Gallen und Murbach im Elsaß viele Besitzungen
in der Gegend hatte, wird „Eggenen"
Britzingen Federzeichnung von F. Fischer
schon 773 als weinbautreibende Siedlung erwähnt
, wie auch späterhin Abgaben von rotem
und weißem Wein von Eggenen verzeichnet sind.
Die älteste Mühle ist die zwischen Niederegge-
nen und Liel gelegene, schon 764 erwähnte
„Kutzenweil", die heutige Kutzmühle. 1571 wird
die Kaisermühle am oberen Ortsausgang genannt
, zu deren Unterstützung in der Nähe um
1727 die „Mattenmühle" mit einer Hanfreibe
erbaut wurde.
Nicht unerwähnt bleiben darf das sogenannte
„Staffelhaus" beim „Schwanen", welches um
1450 erbaut worden sein mag und unter Schutz
steht.
Niedereggenen darf heute noch als echtes altes
Markgräflerdörfchen gelten, das Sitte und
Brauchtum treu bewahrt hat. B6im Pfarrhaus
steht noch der altertümliche Bau der Zehnttrotte.
Scharf wurde zu ihrer Zeit aufgepaßt, daß jeder
seinen Zehnten an Frucht, Wein usw. abgab, und
der Zehntpächter mag besonders in schlechten
Jahren viel Arbeit gehabt haben, bis alles abgeliefert
war. — Für die Ordnung und Sicherheit
des nachts sorgte der Nachtwächter und ein
„BettelWächter" mußte das Bettelvolk dem Dörflein
fernhalten. Er trug einen weißen Zwilchrock
mit roten Aufschlägen und um den Hals ein
weißes Band. Später, als fünf Laternen nachts
die Dorfstraßen erhellten, beschränkte man sich
auf einen Wächter, der tagsüber Dienst tat und
bis zwölf Uhr nachts die Stunden ausrief.
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