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Die Markgrafschaft
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bedingungen gefunden, daß sie sich mit großer
Schnelligkeit über die Weinbaugebiete Europas
ausgebreitet hat. Der von ihr angerichtete Schaden
steigerte sich zu einer ungeheuren Katastrophe
und hat eine tiefgreifende Umgestaltung
des alten europäischen Weinbaues herbeigeführt.
Es ist bedauerlich, daß auch heute noch in manchen
Winzerkreisen die Reblausfrage bagatellisiert
und die große Gefahr in ihrer ganzen Tragweite
noch nicht überschaut wird. Ich halte es
daher für erforderlich, auch an dieser Stelle in
kurzen Zügen den derzeitigen Stand der Reblausverseuchungen
bekannt zu geben.
In Südbaden waren nach den letzt jährigen Erhebungen
des Staatlichen Reblausbekämpfungs-
die in Offenburg und Müllheim ohne Unterbrechung
halten konnten. 1930 kam noch ein Weinmarkt
in Freiburg dazu, nachdem ein solcher
schon im Mittelalter lange Zeit bestanden hatte.
Im Jahre 1874 wurde in Baden als erster Weinbauverein
der Oberbadische Weinbauverein mit
dem Sitz in Müllheim ins Leben gerufen. Es
handelte sich hierbei um eine Selbsthilfe der
oberbadischen Winzer gegen das gemeingefährliche
Treiben der „Weinfabrikanten". Dieser
Weinbauverein hat aber auch sonst auf allen
Gebieten des Weinbaus und der Kellerwirtschaft
mustergültige Aufklärungsarbeit geleistet.
Eine neue schwere Belastung unseres Weinbaues
stellte sich von der Mitte des vergangenen
Jahrhunderts ab ein, als mehrere bis dahin nur
in Amerika heimische Krankheiten und Schädlinge
auch bei uns auftraten. Es sind dies der
Rebenmehltau öder Oidium, der 1845 zuerst in
England an Gewächshausreben entdeckt worden
war, und «seit 1850 bei uns bekannt ist. Als weiteres
die für den Weinstock überaus gefährliche
Blattfallkrankheit oder Peronospora, die im Jahre
1878 von Nordamerika nach Südfrankreich eingeschleppt
und bereits 1882 bei uns festgestellt
wurde. Als größte Geißel unseres Weinbaues und
zugleich als Weinbaufeind Nr. 1 ist die Reblaus
zu bezeichnen. Dieser gefährliche Schädling wurde
1863 zuerst in Frankreich, dann 1874 bei Bonn
und bald darauf an mehreren anderen Orten
festgestellt. Die Reblausfrage wurde bei uns im
Markgräflerland bedeutungsvoll, als die erste
Reblausverseuchung im Jahre 1913 bei Efringen
festgestellt wurde. Die Reblaus hat an der europäischen
Edelrebe so günstige Vermehrungsdienstes
140 weinbautreibende Gemeinden verseucht
, das sind rund 52 %. Von einer bestockten
Gesamtrebfläche von rund 6000 Hektar liegen
fast 80 % in verseuchten Gemarkungen.
Nachstehende Zahlen zeigen mit erschreckender
Deutlichkeit, in welchem Umfange und mit
welcher Schnelligkeit sich die Reblaus im deutschen
Weinbau ausgebreitet hat.
1923 betrug die unmittelbar verseuchte Fläche
819 ha in 21 Gemarkungen,
1926 924 ha in 60 Gemarkungen,
1935 1556 ha in 269 Gemarkungen,
1938 2067 ha in 441 Gemarkungen,
1939 2143 ha in 451 Gemarkungen,
1943 2292 ha in 500 Gemarkungen.
In Frankreich waren die Ausfälle durch die Reblaus
noch viel gewaltiger. Im Vaucluse, dem erst-
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