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Die Markgrafschaft
befallenen Weinbaugebiet im Süden Frankreichs,
waren in 13 Jahren von ursprünglich 30 000 ha
Ertragsweinbergen nur noch 2000 ha in Kultur.
Von 2,5 Millionen Hektar Weinland Frankreichs
waren bereits im Jahre 1879 rund 474 000 ha, d. i.
fast das Sechsfache der ganzen deutschen Rebfläche
, so gut wie vollständig zerstört.
Wir haben im Hinblick auf obige Tatsachen
keine Ursache, hinsichtlich der Ausbreitung der
Reblaus auch nur im geringsten optimistisch zu
sein. Vielmehr muß mit aller Deutlichkeit betont
werden, daß der deutsche Weinbau sich heute in
der schwersten Krise befindet, die andere Länder
schon vor Jahrzehnten überwunden haben. Man
würde dem Weinbau einen schlechten Dienst erweisen
, wollte man sich der großen Gefahr, in
der er schwebt, verschließen. Im Gegenteil, auch
die bisher noch schwach verseuchten Gebiete
werden über kurz oder lang erleben, daß auch
ihre Gemarkungen bald zu den stark verseuchten
zählen. Denn wenn einmal die Reblausverseuchung
einen derartigen Umfang angenommen hat,
wie wir ihn in Deutschland heute leider zu verzeichnen
haben, so ist die Grundlage zur völligen
Zerstörung des Weinbaues gegeben. Gerade
die letzten guten Wein jähre, die Mechanisierung
der Bodenbearbeitung, die Nichtbeachtung der
gesetzlichen Bestimmungen des Rebenverkehrs,
werden uns in den nächsten Jahren Verseuchungen
offenbar werden lassen, die mancher heute
noch nicht ahnt.
Deshalb muß alles getan werden, um den
Pfropfrebenbau beschleunigt einzuführen, denn
er ist das einzige Mittel zur Lösung der Reblausfrage
.
Der Markgraf
Von Fritz
Die Spatzen haben nicht immer so sorglos und
unbeschwert sich ihres Lebens gefreut, wie sie
es heute tun. Ihre Geschichte hat manches
schwarze Blatt und weiß von sehr trüben und
leidvollen Zeiten zu berichten. Gebessert haben
sie sich freilich nicht, und wenn man sie beobachtet
, mit welcher Frechheit und Unverfrorenheit
sie Kirschbäume plündern oder im Sommer zu
Hunderten und Tausenden die reifen Kornfelder
heimsuchen, versteht man den Landmann, wenn
er dem Spatzenvolk den Krieg erklärt und auf
Mittel und Wege sinnt, sie aus seinem Bereich zu
vertreiben und sie dorthin wünscht, wo der Pfeffer
wächst. — Wenn sie wenigstens noch singen
könnten! Aber mit ihrem Geschrei, mit dem sie
uns das ganze Jahr in den Ohren liegen, können
sie sich weiß Gott keine Sympathie erwerben.
Ihren schlimmsten Feind hatten die Spatzen
am badischen Markgrafen Karl Wilhelm, der im
Jahre 1709 an die Regierung kam. Die Ursache,
warum der Markgraf das Spatzenvolk so haßte,
kann wohl kaum allein in den oben angeführten
schlechten Eigenschaften dieses Vogels begründet
sein, und es ist wohl anzunehmen, daß die
Spatzen ihm einmal einen bösen Streich gespielt
haben.
Am 9. Juli 1714 gab Karl Wilhelm eine Verordnung
heraus, wonach jeder Untertan verpflichtet
wurde, jährlich 12 Spatzenköpfe abzuliefern
. Wer diese zwölf Spatzenleichen nicht zusammenbrachte
, mußte je Spatzenkopf, den er
nicht beibringen konnte, 4 Kreuzer Strafe bezahlen
. Diese Verordnung wurde so streng gehandhabt
, daß 50 Jahre nachher (wie die Chronik berichtet
), kaum noch Spatzen zu sehen waren und
die Einwohner von Müllheim und dem Weilertal
sich gezwungen sahen, die zur Ablieferung nötigen
Spatzen in den (damals) benachbarten österreichischen
Gebieten zu holen, oder sich diese von
dort schicken zu lassen. (Vielleicht gab es damals
nd die Spatzen
olfsberger
sogar Schwarzhandel und Schmuggelgeschäfte
mit Spatzenköpfen!!). Die Spatzen müssen aber
auch dort am Aussterben gewesen sein, denn die
Gemeinde Müllheim wurde mit anderen Orten
bei der markgräflichen Regierung vorstellig und
bat um Nachlaß dieser Spatzensteuer, welcher
dann auch gewährt wurde.
Es ist schon mancher ,,Anti . . . . " über diese
Erde gelaufen, einen Antispatzisten aber hat es
nur einmal gegeben, und der badische Markgraf
könnte sich rühmen, dem weisen Salomon einen
Strich durch seinen Spruch „es geschieht nichts
Neues unter der Sonne* * gemacht zu haben. Und
wer damals mit dem Sprüchlein: „Lieber den
Sperling in der Hand, als die Taube auf dem
Dach" hausierte, hat bestimmt wenig Abnehmer
gefunden. Aber alles Ding währt seine Zeit.
Unseren Spatzen sieht man es heute nicht mehr
an, welche Drangsale sie oder ihre Vorfahren
durchgemacht haben. Und wenn sie jetzt zur
Winterszeit wieder hungrig an unsere Fenster
klopfen, dann wollen wir vergessen, was sie den
Sommer hindurch alles angestellt haben, es vielmehr
mit unserm lieben Johann Peter Hebel
halten, der in seinem Gedicht: „Der Winter" das
Verhältnis des Menschen zu den Spatzen so lieblich
anklingen läßt:
Do fliegt e hungrig Spätzli her,
e Brösli Brot wär si Begehr.
Es luegt eim so erbärmli a:
's het siider nächte nit meh gha.
Gell, Bürstli, seil isch andri Zit,
wenn 's Chorn in alle Fure lit?
Do hesch! Loß andre au dervo!
Bisch hungerig, chasch wieder cho! —
's mueß wohr si, wie's e Sprüchli gitt:
„Si saie nit, un ernte nit,
si henn kei Pflueg un henn kei Joch,
un Gott im Himmel nährt si doch."
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