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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-01/0003
DIE MARKGRAFSCHAF

Nr. 1 / 2. Jahrgang Monatszeitschrift für das Markgräflerland

Januar 1950

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Unter den wenig erfreulichen Bilanzen, die zum
Jahreswechsel gezogen wurden, ist diejenige der
Bonner Parlamentarier in aller Nüchternheit aufgezeigt
worden. Wenn wir in der „Markgrafschaft
" auch bewußt vom Tagespolitischen uns
fernhalten, so scheint es doch notwendig, auch
einmal in unserem Kreis auf gewisse Dinge hinzuweisen
, die nicht so sehr etwas mit dem, was
wir unter Politik allgemein verstehen, zu tun
haben, sondern vielmehr mit einer Erscheinung,
die in allgemein-menschlichen Leidenschaften
begründet ist. Es soll hier also nicht die Frage
Demokratie oder Westdeutsche Bundesrepublik
aufgeworfen werden, sondern ganz allgemein auf
Gefahren hingewiesen werden, die im Bonner
Parlament offensichtlich wurden. Diese Gefahren
gehen alle an, die über die kleinere Heimat hinaus
denken können und die sich als Teil einer
größeren Gemeinschaft bewußt sind.

So sehr uns die Verhältnisse zwingen, Geduld zu
haben in allen Dingen, also auch im Politischen,
so sehr es niemand Unberufenem zusteht über
Probleme zu urteilen, die er nicht übersieht, so
sehr haben wir jedoch auch Anlaß, uns 'mit etwas
auseinanderzusetzen, das geradezu mit Händen zu
greifen ist,.und das Anlaß werden könnte, die
Not unserer Zeit nicht nur nicht zu beheben, sondern
noch uferloser und heilloser zu machen. Zu
diesem Unheilvollen, das nicht unbedingt mit
einer Partei oder Staatsform zusammenhängen
muß, wohl aber, wie gesagt, in der menschlichen
Unvollkommenheit begründet ist, gehört der
Parteige ist.

Wir möchten hier, um allen Mißverständnissen
vorzubeugen, einen der größten Staatsmänner der
Vereinigten Staaten, George Washington,
anführen, der in seiner Abschiedsbotschaft vom
17. September 1796 seine Landsleute eindringlich
vor dem Parteizwist warnt. „Die Unordnung und
das Elend, das daraus entsteht, so schreibt er,
veranlassen die Menschen nach und nach, Sicherheit
und Ruhe in der absoluten Gewalt eines
einzelnen zu suchen. Früher oder später verwandelt
der Führer irgend einer vorherrschenden
Partei, der gewandter ist, oder mehr Glück hat
als sein Gegner, diese Einstellung, um sich selbst
auf den Trümmern der Volksfreiheit zu erheben.
Der Parteigeist strebt immer danach, $ie öffentlichen
Verhandlungen zu verwirren und die
Staatsverwaltung zu schwächen. Er erregt das
Gemeinwesen durch unbegründeten Argwohn und
eitle Besorgnisse, er entzündet Feindseligkeiten
einer Partei gegen die andere und stiftet gelegentlich
zu Aufruhr und Empörung an. Er öffnet
fremden Einflüssen Tor und Tür, die durch die

I

Von L. Börsig

Kanäle der Parteileidenschaften einen erleichterten
Zugang bis zur Regierung selbst finden. So
werden Politik und Willen eines Landes der
Politik und dem Willen eines anderen unterworfen
."

Es will uns scheinen, daß George Washington,
wie kein anderer diese Dinge erkannt hat, und es
will uns auch scheinen, daß man darüber in Bonn
wie auch in unserem kleineren Gemeinwesen
nachdenken sollte, um Parteien und Parlamente
wieder auf ihre eigentliche Aufgabe hinzuweisen.
Partei und Politik haben in erster Linie die
Interessen unseres Gemeinwesens zu vertreten
und sowohl nach innen wie nach außen nach
bestem, Wissen und Können zu wahren. Noch nie
war eine Zeit weniger geeignet, Parteidoktrinen
in den Vordergrund zu stellen und darüber das
Volk zu vergessen. Freilich müssen wir mit dieser
Erkenntnis unten anfangen, wenn wir bei der
nächsten Jahresbilanz ein anderes Resultat erzielen
wollen.

Seltsamer Spazierritt

Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus
und läßt seinen Buben zu Fuß nebenher laufen.
Kommt ein Wanderer und sagt: „Das ist nicht
rvecht, Vater, daß Ihr reitet und laßt Euern Sohn
laufen; Ihr habt stärkere Glieder." Da stieg der
Vater vom Esel herab und ließ den Sohn reiten.
Kommt wieder ein Wandersmann und sagt: „Das
ist nicht recht, Bursche, daß du reitest u*id
lässest deinen Vater zu Fuß gehän. Du hast
jüngere Beine." Da saßen beide auf und ritten
eine Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann
und sagt: „Was ist das für ein Unverstand, zwei
Kerle auf einem schwachen Tier? Sollte man
nicht einen Stock nehmen und euch beide hinabjagen
?" Da stiegen beide ab und gingen selbdritt
zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn und
in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann
und sagt: „Ihr seid drei kuriose Gesellen
. Ist's nicht genug, wenn zwei zu Fuß
gehen? Geht's nicht leichter, wenn einer von
euch reitet?" Da band der Vater dem Esel die
vorderen Beine zusammen, und der Sohn band
ihm die hinteren Beine zusammen, zogen einen
starken Baumpfahl durch, der an der Straße
stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.

So weit kann's kommen, wenn man es allen
Leuten will recht machen.

J.P. Hebel


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