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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-01/0006
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Die Markgrafschaft

Ein Spaziergang durchs Markgrafenland vor 100 Jahren

Von Josef Bader

(Wir entnehmen nachstehenden Aufsatz der 1844
im 3. Jahrgang erschienenen Zeitschrift „Badenia".
Der Verfasser des Aufsatzes war zugleich Herausgeber
dieser Zeitschrift und war am Großherzoglichen
Badischen Generallandesarchiv tätig. D. Red.)

Von Tegernau hätte ich eine Meile ebener
Straße bis nach Schopfheim gehabt; ich wählte
aber den Fahrweg übers Gebirge, um nach Hausen
, der Heimat Hebels, zu kommen. Der Charakter
der ganzen Landschaft ist derjenige einer
friedlichen und gesegneten Ländlichkeit, wie sich
derselbe in den Hebeischen Gedichten abspiegelt.
Ich ließ mir die väterliche Wohnung des Dichters
zeigen und wandte mich hierauf der Straße nach
Schopf heim zu. Dieses Städtchen ruht freundlich
zwischen üppigen Gefilden, eine halbe Stunde
oberhalb dem Zusammenflusse der Belchen- und
Feldbergwiese, und wird durch seine wachsende
Betriebsamkeit munter belebt. Das Dasein von
Schopfheim reicht wenigstens in die karolingische
Zeit hinauf; denn (wie aus einem Schenkungsbrief
von 807 hervorgeht) vergab ein gewisser
Himmin alP sein Gut daselbst an das Stift
St. Gallen. Es war ein alter Pfarrort mit einem
•großen Kirchspiele und gehörte zum Gebiete der
Herren von Röteln, das 1315 an Markgraf Rudolf
von Hachberg überging. Dieser Herr schenkte
hierauf der dortigen Bürgerschaft den benachbarten
Berg Antogast und die Schereresau zu
einer Almende, „damit sie desto williger und
gerner an dem Flecken Schopfheim verbleiben
und Wohnung haben mögen". Der städtische
Charakter hatte schon damals begonnen und befestigte
sich jetzt äußerlich durch Ringmauern
wie im Innern durch Ordnung und Gesetze. Der
Weg zwischen Schopfheim und Lörrach, durch
den größten, breitesten und gesegnetsten Teil des
Wiesentales, versetzt den Wanderer in eine Stimmung
, welche seine Lebensansicht immer heiterer
werden läßt, indem die üppige Natur ringsumher,
die freundlichen, das Gepräge des Wohlstandes
tragenden Ortschaften mit ihren reinlich gekleideten
rührigen Bewohnern die Bilder von Verfall
, Armut und Not, die einem auf dem Land
wie in den Städten leider so oft begegnen, auf
eine das Herz beruhigende und den Geist höchst
angenehm beschäftigende Weise verscheuchen
oder in den Hintergrund drängen. — In der
älteren Zeit hatten die Wiesentäler in Tracht und
Sitte noch vieles mit den Hauensteinern gemein;
durch die Reformation aber änderte sich dies. Die
Volkstracht erhielt sich bei dem männlichen
Geschlecht nur in der hinteren, schwarzwäldi-
schen Gegend, wie im Bürchauer Tal und zu
Gersbach. Rock und kurze Hosen von rohem,
braunrot- oder graufarbigem Zeug, ein schwarzer
, runder Hut und blaue Strümpfe sind charakteristisch
. Im vorderen Wiesental und in der ganzen
Landschaft gegen den Rhein zu wurde die
Männertracht mehr oder weniger modernisiert.
Die weibliche Tracht dagegen findet man noch
allenthalben in ihrem unveränderten Wesen, und

zu dem schlanken Wuchs, zu dem edel geformten
Gesicht und feinen Teint der Markgräflerinnen
paßt sie auch so vortrefflich, daß es höchst bedauerlich
wäre, wenn sie von der modernen
Charakterlosigkeit ebenfalls verdrängt würde.
Johann Peter Hebel hat sie in seiner „Wiese"
als Markgräfler Mädchen unnachahmlich beschrieben
:

„Halt mer e wenig still, i will di jez lutherisch
chleide; 's schickt si nümme, barfis z'laufe, wemme
so groß isch. Do sin wißi Bauwele-Strümpf mit
chünstlige Zwickle (leg si a, wenn d'chasch!) und
Schueh und silberni Rinkli. Do ne grüne Rock —
vum breit verbändlete Libli fallt bis zue de
Chnödlene abe Fältli an Fältli. Sitzt er recht?
Tue d'Häftli i, und nimm do das Brusttuech, sam-
met und roserot. Jetz flicht i der chünstlige
Zupfe us de schöne, sufer g'strählte, flächsene
Hoore. Obe vom wiße Näke und biegsam in
d'Zupfe verschlunge fallt mit beide-n Ende-n
e schwarze sidene Bändel bis zum tiefe Rocksaum
abe. G'fallt der di Chappe, wasserblaue Damast
und g'stickt mit goldene Blueme? Zieh de Bändel
a, wo in de Rihklene durgoht, unter de Zupfe
dure, du Dotsch, und über de-n Ohre fürsi mit-
em Lätsch, und abe gege-nem G'sicht zue! Jez e
side Fürtuech her, und endli der Hauptstaat,
zwänzig Elle lang und breit e Mailänder Hals-
tuech! Wie-n e luftig G'wülch am Morgehimmel
im Früehlig schwebt's der uf der Brust, stigt
mit-em Oth£m und senkt si, wählet der über
d'Achsle, und fallt in prächtige Zipfle über de
Rucke-n abe, sie rusche, wenn d'en. im Wind
gosch. Hät me's lang, se loßt me's lang hänke,
hör i mi Lebtig. D' Ärmel, denk' wohl, hänksch
an Arm, wil's Wetter so schön isch, aß me's Hemd
au sieht und dini gattige-n Ärmli, und de Schi-
Huet nimmsch in d'Hand am sidene Bändel;
d'Sunne git ei'm wärmer, und schint ei'm besser
in d'Auge. Jez wärsch usstaffiert, as wenn de
hoffertig sy wotsch — und de g'fallsch mer selber
wieder, cha-n i der sage."

Meine letzte Einkehr war in Schopfheim gewesen
, ich eilte aber nicht so sehr, Lörrach zu
erreichen, sondern wartete in Brombach bei
einem Glase Landwein den Abend ab. Als die
Sonne den Saum des Gebirges erreicht hatte,
stellte sich meinem Blick ein wahrhaft magisches
Schauspiel dar, ein altdeutsches Landschaftsgemälde
in wirklicher Natur! Der Horizont
schwamm im Golde, das Gewölk glühte wie Purpur
, und in diesem Lichtgrund ragte die Schattenseite
der Trümmer von Röteln mit den umliegenden
Reb- und Waldbergen hinein.

Lörrach war ursprüglich ein Eigentum der
Freiherren von Röteln; sie gaben es feiner ihrer
Dienstmannsfamilien zu Lehen, die sich sofort eine
Burg in dem Ort erbaute und sich dessen Namen
beilegte. Dieselbe verlor aber nachmals diesen
Stammsitz und siedelte sich jenseits des Rheines


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