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Die Markgrafschaft

ihrer Erinnerung, dann zog sie das bronzene
Kleinod aus der innersten Falte ihres Busens.
Wenn sie es betrachtete, ward ihr still und wohl;
Runen glänzten darauf, zauberkräftig wie alle
Runen. Denn von Wotan stammen sie, dem
wunderkundigen, allwissenden, göttergewaltigen
Asen, der für ihre verborgene Weisheit ein Auge
hingab. Wenige Sterbliche nur wissen um ihr
Geheimnis.

Sie verstand ihren Zauber nicht; aber sie fühlte
ihn am rascheren Schlag ihres Herzens. Sie war
eine andere worden! Die Runen hattens ihr angetan
und ließen ihre Seele nicht mehr los.

Wer sie ihr zu deuten verstünde!

Drüben in Egerten — unweit des Stockberges,
auf dessen Gipfel man die Sonnenwendfeste
feierte und ihr Väter als Fürst des Stammes im
Landesthing nach altem Brauche Recht schuf —
dort, wo sich die Waldwege der Nachbargaue trafen
und kreuzten, wohnte in einsamer Blockhütte
mit ihrer Geiß zusammen des Stammes Seherin,
die weise Frau, aller Dinge kundig, welche zu
wissen dem Alemannen in Fehde und Frieden
nütze und nötig war. Sie kannte die Zeiten der
Lichtfeiern, wo die glühenden Scheiben in weitem
Boden zu Tale flogen, und bestimmte nach dem
Mondwechsel die Zeit, wo es von Vorteil war, die
Kälber abzusetzen oder dem Feinde die Schlacht
anzubieten. Der bündigste Beweis ihrer erstaunlichen
Weisheit aber war, daß sie nicht nur weise
zu reden, sondern — ungleich anderen Frauen —
zu rechter Zeit und an rechter Stelle auch weise
zu schweigen verstand; daher war junges Volk
beiderlei Geschlechts, das bekanntlich immer seine
kleinen Geheimnisse hat, ihre beste und dankbarste
Kundschaft. So waltete sie ihres hochangesehenen
Amtes mit Einsicht, Umsicht und Vorsicht
, wie es einer Seherin ziemt. Rechtzeitig
loderten die Scheiterhaufen und flogen die Scheiben
, die Kälber gediehen, der Feind bekam seine
Prügel und die Mädchen ihren Schatz.

Leider aber versagte ihre Weisheit gänzlich, als
Abnoba nach langem Zögern den Bittgang nach
ihrer Hütte machte und ihr die rätselhafte Spange
vorwies. Die gute Alte verstand sich vortrefflich
auf die Kunst, buchene Stäblein zu werfen und
die entstehenden Runenbilder sinnvoll zu deuten,
wie es die Besonderheit eines jeden Falles erheischte
; aber über römische Inskriptionen wußte
sie keinen Bescheid; die herrliche Zeit .unserer
nationalen Bildung, wo die deutschen Gelehrten
besser Latein als Deutsch verstanden, war noch
nicht angebrochen. So konnte die Alte nichts tun
als warnen. Daß in römischen Runen nur ein ganz
heilloser, ausgesucht bösartiger Zauber wohnen
könne, stand für jeden, der die Römer kannte,
außer Frage; sie gab daher Abnoba den wohlgemeinten
Rat, das verdächtige Ding so rasch als
möglich wieder dahin zu tun, wo sie es hergenommen
.

Abnoba errötete tief. Wenn sie das gekonnt
hätte — ach, wie gerne! Aber ein Trost war ihr
der Alten weise Rede nicht.

Leidlicher lautete, was sie bald danach von
einer ganz anderen Autorität zu hören bekam.
Zur Methtafel ihres Vaters gehörte ein trunk-
fester, frohlauniger alter Kriegsknecht, der nach
der Weise der Zeit als Reisläufer in die Fremde
gegangen war und bei der germanischen Legion
den Römern Kriegsdienste getan hatte. Zurückgekehrt
, ward er bald der Mittelpunkt der
abenteuersüchtigen alemannischen Jungmannschaft
, und wenn das, was er vom römischen
Feld- und Lagerleben zu erzählen wußte, vielleicht
auch nicht immer ganz der Wahrheit entsprach
, so war es doch umso lustiger. Wer an der
Methbank nichts alä die Wahrheit zu erzählen
versteht, tut besser, den Mund zu halten. Viel
tat sich der Alte auf seine Kenntnis der lateinischen
Sprache zugute und versäumte nicht, seiner
Erzählung bei gegebener Gelegenheit einige
Brocken dieser seltsamen Mundart wirksam beizumischen
, was er umso leichter konnte, als sie
niemand verstand. (Fortsetzung folgt.)

Zwüsche Liecht un Dunkel

Chumm, setz di ane, wenn de chosch
un leg e Rüngli d'Händ in d'Schoß.
Uf's Stüehli stell die müede Bei,
worum nüt? 's isch jetz einerlei —
so zwüsche Liecht un Dunkel.

Zue dem isch jo das Stündli gmacht,
's isch nümme Dag un no nüt Nacht.
Liis deckt e Schleier alles zue,
un alli Jäste werde Rueh —
so zwüsche Liecht un Dunkel.

*

D' Gedanke schliefe inewärts

zue gheime Dürlene im Herz.

Schnell rieglen ab, menggs dueht gar weh

un hüüle muesch ums Ummeseh —

so zwüsche Liecht un Dunkel.

öang lieber heim ins Chinderland
un däppele ans Mueters Hand
zue alle Wunder säller Zit,
wos numme in der Chindheit git —
so zwüsche Liecht un Dunkel.

Jetz lütets Betzit, 's Spiel isch us,
so ischs bi üns deheim der Bruuch.
Gang heim go bete, schnuuf nüt so
un sag di Spruch enanderno —
so zwüsche Liecht un Dunkel.

Dä Spruch isch friili wunderschön,
wie d' Blueme, wo im Garte stöhn.
„E selig Stündli gäb is Gott
in Lebeszit un Sterbesnot!" —
So zwüsche Liecht un Dunkel.

Jda Guldenschuh


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