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Die Markgrafschaft

Buchfink oder Distelfink? / von f

ritz Wolfs berger

Es war an einem schönen Maimorgen. Die Sonne
stand am wolkenlosen Himmel, und in den Gär^
ten standen Baum und Strauch in herrlichster
Blüte. Die gefiederten Sänger wetteiferten in
heißem Liebeswerben und füllten mit ihrem Gesang
die weihevolle Stille des frühen Tages. Die
jungen Eheleute Marie und Hans genossen, auf
weichen Kissen lehnend, von ihrem Fenster aus
den schönen Morgen und redeten miteinander in
der lieblichen Sprache Amors. Da flog ein Vögelein
auf den vor ihrem Fenster stehenden Apfelbaum
, setzte sich auf den obersten Zweig und
fing alsbald zu singen an. Das Paar verhielt sich
mäuschenstill und beobachtete aufmerksam den
kleinen Sänger, der mit geblähtem Hals in heißer
Liebesbrunst sein wohlklingendes Lied in den
Morgen schmetterte. „Lueg emol, wie de Buech-
fink singe cha!" flüsterte Marie ihrem Mann zu,
„do isch euer Gsangverein e Dreck drgege!" „Was
du immer für Jäste hesch mit-em Gsangverein,"
erwiderte der Hans, „isch das au e Verglich?
I weiß scho, daß de nit gern siehsch, wenn i in
dTrob gang un as de hinteumme immer z'bäbbere
hesch drwege; un zue dem isch seil gar kei Buech-
fink, 's isch e Disteli, punktum!" „Was isch seil,
e Disteli? — I chenn d'Vögel besser wie du; e
Buechfink isch's!" zischte sie, giftig geworden,
ihren Hans an. „E Disteli isch's, un jetz haltsch
di Mul, i weiß es besser as du!" entgegnete hitzig
geworden der junge Ehemann. — „Was, ich soll
's Mul halte! Seil wemmer luege," und — dätsch!
klatschte dem erstaunten Ehemann ein Pantoffel
um die Ohren. — Das Vögelein verstummte und
suchte erschrocken das Weite.

Ein Jahr war inzwischen ins Land gegangen.
Bei dem jungen Paar war längst wieder alles in
Ordnung. Zwar blitzte dann und wann von Seiten
der Frau kurzes Störungsfeuer auf, wenn der
Dienstagabend kam, wo der Mann in die Singstunde
gehen sollte. Aber im allgemeinen war der
Ehehimmel wolkenlos geblieben.

Der Frühling hatte die
schlummernde Natur geweckt
und in Wald und
Wiesen erscholl wieder das
Liebeslied der kleinen,
munteren Sänger. An einem
Sonntag morgen lag das
Ehepaar wie im vorigen
Jahr unter dem Fenster in
der warmen Sonne. Primeln
blühten im Garten
und die Tulpen öffneten
dem Licht ihre herrlichen
Blüten. Die fleißigen Immlein
summten von Kelch zu
Kelch und flogen schwerbeladen
mit dem köstlichen
Nektar ihren Waben zu.

henn wege some dumme Vogel? Die ganzi Wuche
noher hämmer gstritte un gmotscht, un alles nur,
will du bhauptet hesch, es sei e Buechfink gsi, wu
dert obe ufern öpfelbaum so schön gsunge het!",
erinnerte Hans seine bessere Hälfte. „Jo, jo,"
meinte Marie, „'s isch scho-ne Dummheit gsi, aber
i ha doch Recht gha, de hättsch's dinere Frau nit
bruche durdue. Für mengi Sache hän mir Fraue
eifach dr besseri Blick, un grad in dr Vogelkunde
bin-i scho in dr Schuel immer die Besti gsi, un
daß i soll 's Mul halte, seil hätsch au nit grad
bruche sage; i cha's emol nit lüde, wenn e Manne-
volch ebbis b'hauptet, wun-er gar nit versteht!"

„Schämsch di nit, Marie, immer muesch du
recht un 's letscht Wort ha! Weisch, wie's in dr
Bibel heißt? ,Das Weib sei dem Manne Untertan
in allen Dingen*. Wie gsait, das isch e Spruch us
dr Bibel, un 's wurd dr nit schade, wenn de di
eweng drno richte detsch!", trumpfte Hans auf
und wollte dann aus dem Zimmer gehn. Zornig
verstellte sie ihm den Weg. „Do blibsch, sag i!
E Buechfink isch's gsi, mi Recht will i. Seil fehlt
mr grad no, daß de no Sprüch us dr Bibel
zitiersch. Untertan si! — die Zit isch umme, wu
me de Fraue uf-em Mul umme drambt isch, merk
dr's! Un jetz gohsch mr go e Zaine voll Holz hole
un noher Herdöpfel usem Cheller, un seil sag-i dr,
loß mi mit de Vögel in Rueh; du hesch dini Vögel
im Gsangverein un im Chopf, un gang jetz!" —
Dem jungen Ehemann hatte das Zungenkonzert
seines Weibes die Sprache verschlagen. „Dr
Gscheitscht git no!" dachte er im stillen und ging
schweigend hinaus in den Holzschopf. Über die
Frage: Disteli oder Buechfink wußte er nun ausgiebig
Bescheid, und so oft er einen Vogel singen
hörte, dachte er an seine unverdiente Niederlage.
Aber laut ließ er seine Gedanken nicht werden;
denn seine bessere Hälfte verstand in Vogelangelegenheiten
keinen Spaß. Ganz tief innen
stand er aber doch zu seinem Disteli, und den
Vogelkenner hat er sich auch nicht nehmen lassen,
aber wie gesagt, nur ganz im stillen.

„Marie, weisch no, 's letzt
Johr, wie mr is bloggt

©utsfjof „23rütflen 23uggmgen

$eDer$eu&nung t>on Sifctw


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