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Die Markgrafschaft

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wurzelfaul und wipfeldürr und war am Umstehen
. Da es sonach dem Stamme an eigenem
Saft gebrach, adoptierte der graue Sünder den
munteren frischen Germanen, der nunmehr das
ehrwürdige alte Haus der Javolener i. V. fortpflanzte
. Der Erfolg entsprach den kühnsten Erwartungen
des Adoptiv-Großpapas. Bald wimmelte
es von neubackenen Javolenern, die sich
durchaus als Römer fühlten. Sie zeigten sich mit
alt-republikanischem Stolze auf dem Forum in
der Toga, Schoren sich die Blondköpfe und gebär-
deten sich, als hätten ihre Ahnherrn zugeschaut,
als Romulus die erste Stadtmauer baute und
Remus spottend darüber hinwegsprang.

Lucius, der Enkel, war also äußerlich Römer
vom Scheitel bis zum Schuh; aber das adlige
Blut seiner hochgemuten Rasse pochte in seinem
Herzen. Art laßt nicht von Art, und die geschorene
Mähne macht aus keinem Löwen einen
Pudelhund. Hündisch kläffen, Schweifwedeln und
Schönmachen, was Roms eingeborener patrizi-
scher Nachwuchs so drollig schön verstand, war
nicht Lucius' Sache, und mit der stolzen Verachtung
des Germanen schaute er auf die epikuräi-
sche Verlodderung der hauptstädtischen Jugend.
Er schwur auf die ernste Lehre der Stoa und hielt
als Stoiker das unweise Geschlecht der Weiblein
für eine unvollkommene und minderwertige Abart
des genus homo — eine herbe Philosophie, zu
der in Rom freilich nur ein wenig guter Geschmack
nötig war; denn was damals von holder
Weiblichkeit das römische Pflaster betrat, war
außen Duft und Putz — innen Stank und
Schmutz. Auch würdigen Matronen erschien es
bereits als eine altmodische und jedenfalls zwecklose
Beschränkung, bloß — zwei Männer zu
haben: eine wenig verlockende Aussicht für ein
germanisches Herz, das gewohnt ist, aufs Ganze
zu gehen und in Kampf und Liebe Alles für Alles
einzusetzen.

Germanisch war es ferner, daß es Lucius
drängte, nachdem er kaum die jugendliche Toga
prätexta abgelegt, bei dem Heere einzutreten,
nicht wie die Herrlein der goldenen Jugend,
welche sich dem Stabe eines sieggewohnten Feldherrn
als Sdilachtenbummler anschlössen und
beim Gefecht zähnestochernd hinter der Front
standen, sondern zu redlicher Führung der Waffe,
um die eigene Mannhett gegen fremde zu bewähren
. Für so ernsthaftes Vornehmen gab es im
römischen Keiche nur einen Platz, das waren die
germanischen Grenzlande, wo römische Waffenkunst
und Mannszucht mit wechselndem Erfolge
gegen die wilde, ungezügelte Tapferkeit der Germanen
zu Felde lag. So war Lucius zum Rhein
und über den Rhein gekommen; in der Heimat
^seiner Urväter hatte er beides gefunden, ehrlichen
Kampf und ehrliche Liebe: Nun stand er
mit geflickter Haut, aber mit wundem Herzen arn
römischen Ufer des Rheinstromes und sah trüben
Auges, wie eine lichte, himmlische Gestalt langsam
im Schatten der Nacht verblaßte und verschwand
.

In solcher Stimmung zog Lucius die Heerstraße
über Vesontio und Geneva nach dem Rho-
danus-Tale und betrat nach langen Wochen die

Stadt Rom, ein anderer, als der er gegangen.
Leeren Herzens war er geschieden, übervollen
Herzens kehrte er zurück, und die Heimat seiner
Jugend ward ihm nie mehr heimisch. Noch war
ihm Rom der Mittelpunkt der Welt, aber einer
Welt, die er nicht mehr verstand, seit ihm eine
andere, innere Welt aufgegangen, mit der Rom
auch nicht die geringste Ähnlichkeit besaß. Daß
es eine solche Welt geben könne, hat nie ein Vollblut
-Römer verstanden, weil mehr als Verstand
dazu gehört. Ihm war Rom die Welt schlechthin,
und wenn sie ihm nicht mehr gefiel, wählte er
irgend eine anständige Methode, sich ins Nichts
hinwegzustehlen. Selbstmord war Modesache und
derniere nouvaute römischer Weltanschauung.

Lucius wußte nichts von Verzichten und Verzagen
. Sein Leben ward ernst, aber innerlich Und
äußerlich gefestigt. Es hatte einen Inhalt bekommen
, reich genug, um es nicht wegzuwerfen wie
eine abgetragene Hose oder eine wurmige Nuß.

Er belegte bei Quintilian Rhetorik und — erstaunlich
! — hörte sie sogar; allerdings nicht
lange. Das Unglück wollte, daß er im Kolleg
neben eine Studentin zu sitzen kam. Fräulein
stud. jur. Domitilla war ihm zu fesch; und da sie
an dem schmucken Komilitonen Gefallen fand
und Ansprüche machte, die man ihr als Tochter
des Kaisers nicht gut abschlagen konnte, so legte
sich Lucius aufs Schwänzen und überließ den
gefährlichen Platz einem Gefälligeren.

Um so fleißiger benutzte er das Praktikum
beim Rechtsanwalt, ward bald ein gewandter
Paragraphen-Reiter und bewarb sich rechtzeitig
bei den Komitien um die Aedilität, die er denn
auch — für viel Geld und gute Worte wie ein
Jenenser Doktor-Diplom — glücklich erhielt. So
betrat er nach Gesetz und Brauch die übliche
Verwaltungslaufbahn und warf sich mit Eifer auf
die Bau-, Bäder- und Sittenpolizei. Die kotigsten
Tiefen hauptstädtischen Treibens, die der äußere
Pomp und Schein seinen Augen bisher noch
dürftig verhüllt hatte, taten sich vor ihm auf.

Der junge Beamte hatte gerade sein Prätorat
angetreten, als beim Senate wichtige Nachrichten
aus den überrheinischen Gebieten einliefen, die
ihn veranlaßten, sich um eine Provinzialpräfektur
in jenen für ihn so interessanten Gegenden zu
bewerben. (Schluß folgt.)

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