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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-02/0012
TO

Die Markgrafschait

Die Narrenstädte am Hochrhein

Von Prof. Dr. J. Künzig

Laufenburg, die alte Waldstadt am felsigen
Hochrhein mit Mauerresten, Tor und Türmen und
gar engen Gassen, einst bekannt durch die
Laufenburger Stromschnellen, die seit der Bändigung
des wilden Stromes verschwunden sind, ist
riicht nur seiner Romantik wegen besuchenswert,
sondern vor allem wegen seiner sprühlebendigen
und doch so alten Fasnet. Mit Stolz verweisen die
Laufenburger auf das Jahr 1386, das auf ihrer
Narrozunftfahne steht — und mit diesem Jahr
soll es folgende Bewandtnis haben: Als 1386 arrj
St. Georgentag der Graf von Laufenburg sein
Erbe an den Herzog Leopold verkaufen vmußte,
schickten die Laufenburger eine Abordnung der
Fischer- und Stüdlerzunft (Stüdler = Flößer- und
Laufenknechte) zur Huldigung nach Brugg in der
Schweiz und wurden von Herzog Albrecht empfangen
. Als Präsent hatten sie herrliche Rheinsalmen
mitgebracht, und sie durften nun auch
eine Bitte vorbringen. Und was wünschten sie?
Sie wollten eine besondere Tracht haben. Als bald
darauf durch Kurier ein Paket überbracht wurde,
da war darin ein sonderbarlich Kleid mit lauter
bunten, wie Fischschuppen übereinanderliegenden
-Läppchen. Und dies Gewand trug dann für-
der die Laufenburger Fischerzunft zu ihrem großen
Tag, der Fasnet.

Die Laufenburger sind in den Fastnachtstagen
von einer zündenden Lebendigkeit, sozusagen
außer Rand und Band. Und dies auch bei den
Vorfeiern, an den drei „faiße Donschtig". An
diesen Tagen, morgens um halb sechs Uhr, sammelt
sich die Jungmannschaft, desgleichen abends
Jugend und Erwachsene, in allen möglichen
Verkleidungen zur „Tschättermusik" vor dem
Waldtor. Und ausgerüstet ist man mit Lärminstrumenten
aller Art: mit Topf deckein, Eimern,
Kuhschellen, Hörnern, Pfeifen, Trommeln — ja,
im letzten Jahr sah ich gar, wie man das mächtige
Sägeblatt einer Kreissäge mitschleppte. Und
wenn der Zug, der durchs Tor die enge Straße
hinab bis zur Rheinbrücke und wieder zurück
zieht, sich in Bewegung setzt, dann werden diese
Tschätterinstrumente nach Leibeskräften bearbeitet
, daß es ein wahrer Ohrenschmaus ist. Und*
zu dem dumpfen Trommelschlag „Trum terum
trum trum" rufen alle ohn' Ermüden:

,,D' Mülleri, sie hett, sie hett. . . "

Ja, was hett sie?! Nur zwischendurch wird der
volle Vierzeiler gerufen; jeder Knirps kennt ihn
— und wer von den Lesern ihn noch nicht kennt,
der soll in Laufenburg einmal die Tschättermusik
mitmachen am dritten „faiße", wenn buchstäblich
alles auf den Beinen ist. — Nach den Morgenumzügen
wird der Jungmannschaft in einer der
Wirtschaften eine Mehlsuppe spendiert. Noch sei
erwähnt, daß früher immer noch die Tschätter-
oder Katzenmusik Großlaufenburg „vo änet dem
Rhi" über die Brücke kam, um die Kleinlaufen-
burger zu verstärken. Abends aber gilt das Recht
des Schnurrens für die Laufenburgerinnen, die

als „Huschi" mit einer Stoffmaske vor dem Gesicht
die Lokale aufsuchen und den andern aufs
Korn nehmen *— und eine spitze Zunge haben
sollen.

Die Narro-Altfischerzunft aber hält am dritten
„faiße Donschtig" nach der Tschättermusik ihr
Hauptbott ab, das früher abwechselnd in der
„Mehreren" und „Minderen" Stadt (so hieß früher
Groß- und Kleinlaufenburg) stattfand. Seit
der Grenzübergang erschwert ist, schickt man
zum Hauptbott wenigstens gegenseitig eine Delegation
. Aber nach wie vor gibt es nur eine gemeinsame
Alt-Fischerzunft für Laufenburg in der
Schweiz und Laufenburg in Baden.

Der Fastnachtsdienstag wird beherrscht durch
das Narrolaufen, dem ein Umzug der Narronen
mit Trommel und Fahne vorausgeht. Dann belebt
sich das Bild aller Straßen und Plätze durch die
Gestalten der Narronen mit buntem „Blätzlehäs",
dem Fischernetz als Lendenschärpe und derb
karikierenden Holzmasken. Es gibt auch ältere
Masken darunter, die ihre zweihundert Jahre
alt sein dürften. Die Narro sind bei ihrem Straßenlauf
nun fortgesetzt umringt von einer lauten
Kinder schar, nicht ohne Grund; denn der Narro
trägt einen großen Sack bei sich, aus dem er
Äpfel, Nüsse, Orangen, Weckli und Würste auswirft
, besonders wenn, er durch die im Sprechchor
gerufenen Verse animiert wird:

Narro chridewiß

Het d'Chappe volle Lüs!

Immer entsteht ein munteres Purzeln, daß nur
jedes etwas von der „Schnabelweide" erwischt.
Das Rufen geht weiter:

Luschtig isch de Bogeschütz,
Er frißt am Fritig Speck un Schnitz.
Luschtig isch de Frickerseppli,
Suuft alli Stund e Schöppli.

So verläuft im Spendieren und Erhaschen der
ausgeworfenen Gaben der Fastnachtsdienstag,
den Großen und den Kleinen zur Freude.

Am Aschermittwoch aber wird in Laufenburg
die Fasnet begraben oder verbrannt! Ein Strohmann
wird auf einer Bahre durch die Stadt zum
Marktplatz getragen unter Heulen und Wehklagen
, und dort wird noch eine Totenrede gehalten.
Eine derselben begann:

„Als zu Rheinfelden der Rhein brannte und die
Hunde Stroh schütteten, um zu löschen, do bin i
g'schprunge und g'rennt, und ha de groß Zeh
vom düine ewäg g'schprängt!"

Dann wird der Strohmann zur Rheinbrücke -
getragen, angezündet und lichterloh brennend in
den Rhein geworfen. Heute vollzieht sich das
Fasnet verbrennen meist auf dem Marktplatz.

Waldshut, gleichfalls im alten Bund der
„Vier Waldstätte", ist bekannt durch seinen
„Geltentrommler"; so treten die Waldshuter auch
stets auf den großen Narrentreffen auf. „Hemd-


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