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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-02/0014
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Die Markgrafschaft

glonker", also Männer mit übergeworfenem
weißem Hemd und weißer Zipfelmütze, haben
sich als Trommel einen umgestülpten Zuber, eine
„Gelte" umgehängt und trommeln darauf mit
zwei Kochlöffeln. Sie treten am Schmutzigen
Donnerstag auf wie an den eigentlichen Fastnachtstagen
und werden auch von Jugendlichen
und Kindern dargestellt, die am Schmutzigen
Donnerstag durchaus in der Mehrzahl sind. Am
Johannisplatz beginnt gewöhnlich dieses „Geltetrommeln
", verstärkt durch eine eigentliche
Trommler- und Pfeifergruppe. Und wie sich der
Umzug in Bewegung setzt, ertönt zu dieser
Trommler ei der Sprechchor:

Jetzt goht d' Fasnacht a

Mit de rote Pfife!

Hanselma, du Lumpehund,

Häscht nit g'wißt, daß d'Fasnet chunnt,

Hätsch di Mul mit Wasser g'riebe,

Wär dr 's Geld im Beutel bliebe!

Der Anführer der ganzen Horde ist der Narro
mit seiner „Saublödere" am Stock; sein Gewand
ist ein „Blätzlehäs", dag mit einer gleichfalls mit
bunten „Blätzle" besetzten Kapuze versehen ist,
die sich der Narro vors Gesicht ziehen kann; an
der Kapuze baumelt ein Fuchsschwanz. Die Waden
aber sind mit roten Tüchern umwickelt. Dem
Narro stehen einige Hänsele zur Seite, denen von
der genannten Ausstattung nur der Fuchsschwanz
fehlt. Unter Vorantritt des Narro und der Hänsele
zieht nun der laute und übermütige Zug durch
die Stadt; vor den einzelnen Häusern wird haltgemacht
. Der Narro holt mit den Hänsele Körbe
voll Äpfel- und Birnenschnitzen und wirft sie
aus den einzelnen Stockwerken unter die Kinderschar
, mit dem Ruf:

„Do use, dort use, hinte use und vorne use!"

Dann gibt es das übliche Gebalge, bis der Narro
wieder unter den Kindern steht und mit der
„Saublödere" sich Respekt verschafft. Und nun
singt man (das gleiche tun an den Fasnettagen
die Gruppen der erwachsenen Geltetrommler)
das vielstrophige derbe Spottlied auf die einzelnen
Stände, wobei der Narro meist die Frage
singt und die Kinder antworten oder meistens
die letzte Zeile jeder Strophe übernehmen. Ein
„Gsätzli" als Probe (die weiteren stehen in „Mein
Heimatland", 1926, S. 33, und auch bei Busse):

Wie machet's denn die Küfer?
Sie schlaget dreimal rumpelibum
Und heischet dann sechs Batze drum.
Un die Küfer machet's so!

Am Fastnachtsmontag wurden früher in Waldshut
auch meist historische Szenen mit prunkhafter
Ausstattung aufgeführt.

Die Waldshuter Fasnet war wohl Jahrhunderte
hindurch von der „Junggesellenschaft" getragen,
diesem auf 1468 als Gründungsjahr sich berufenden
Zusammenschluß der „jungen Gesellen",
deren Hauptfest bekanntlich die Waldshuter
Chilbi ist. Es ist zu bedauern, daß sie Ende des
19. Jahrhunderts sich aus des Verantwortung für
die Gestaltung der Waldshuter Fasnet herauslöste
, die seitdem die Narrengesellschaft mit
Elferrat übernommen hat. Nur das Fasnetver-

brennen haben die Junggesellen noch für sich
reserviert: Eine an einem Galgen baumelnde
Gestalt (ein Narro oder auch eine Strohpuppe)
wird unter dem Geleit der in Leintücher gehüllten
Gesellen vor das Rathaus getragen und nach
einer mit viel lokalen Anspielungen gespickten
Grabrede verbrannt.

Außer Tiengen mit „Blätzlihäs" sei S ä k -
k i n g e n wenigstens mit dem „Boöggverbren-
nen" erwährt. Der Böögg ist eine männliche Personifizierung
der Fastnacht. Jammervoll vornübergebeugt
sitzt er, vielmehr hängt .er auf einer
Tragbahre, die von vier Leichenträgern hoch auf
der Schulter getragen wird. Das Trauergeleite
aber geben ihm fackeltragende, herzzerreißend
wie orientalische Klagefrauen jammernde bleichgesichtige
Gestalten, ganz in weiße Laken gehüllt
. Von einer Leiter aus wird dem Böögg die
Leichenrede gehalten, während der er unter dem
lauten Heulen der Trauergäste dem Flammentod
übergeben wird. Ein überaus gespenstisches Bild,
von flackerndem Fackelschein und lohender, bald
aber ersterbender Flamme des Scheiterhaufens
erleuchtet, bis eine krachende Rakete verkündet,
daß dem Böögg nun die „Seer usg'floge isch".

Das „Bööggverbrennen" ist in der Schweiz noch
weit verbreitet, und Säckingen ist, zumindest in
der Benennung und Ausführungsart seines Fas-
netverbrennens, von drüben beeinflußt. Der
„Böögg" ist in schweizerischen Bauerndörfern
ein häßlicher, schmutziger Butz, in Zürich aber
als riesiger Schneemann aufgeputzt — und bei
dem.„Sechseläuten", das heißt, wenn am Montagabend
der letzten Aprilwoche die Glocken den
Frühling einläuten, wird er feierlich auf dem
großen Platz am See verbrannt, während Reiter
der Zünfte, die sich nach einem großen, traditionellen
Umzug dazu eingefunden haben, den Holzstoß
wild umreiten. In dieser Brauchtumsform
der Großstadt ist das Fasnetverbrennen und
Funkenfeuer der Bauernlandschaften des Alemannenlandes
zu einer imposanten Winterverbrennung
vereinigt.

Bei der Säckinger Fasnet war in der jüngeren
Zeit öfters zu sehen eine aus Baumrinde geschnitzte
und im Ausdruck vorzüglich gelungene
Maske des „Meisenhardjoggele": ein Waldschrat,
urgründig lachend, mit den gutmütig aus dem
Rindengesicht hervorquellenden Bäckchen. Säk-
kingen schuf diese Gestalt, die sich allerdings
nicht bestimmend durchsetzte, nach Scheffels
Trompeter von Säckingen. Von diesem bei
Scheffel Meisenhardus genannten Erdgeist sei
mancher nächtliche Wanderer im Walde irregeführt
und von dem in den Baumwipfeln schaukelnden
Wicht höhnisch angerufen worden: „Den
Mann hat's!"

Säckingen verlegt heute das „Schnurren" hauptsächlich
in die Saalfastnacht, wobei in Form der
„Schnitzelbänke" oder durch die „Waschweiber"
sehr gelungene, witzige Satiren auf alles und alle
losgelassen werden.

Aus „Die alemannisch-schwäbische Fasnet" von J.
Künzig mit freundl. Genehmigung des Herausgebers.


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