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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-03/0009
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Die Markgrafschaft

Wenn es auch in der Eigenart seines Berufes
liegt, daß er sich nicht von heute auf morgen mit
neuen Dingen vertraut machen kann, sondern
langsam in die Dinge hineinwachsen muß, so
muß doch im Interesse der Sache an ihn die Forderung
gestellt werden, sich etwas schneller in
die Angelegenheit hineinzudenken und vor allen
Dingen zu versuchen, die Probleme des Wiederaufbaues
mit den Fachorganen in gemeinsamer
Arbeit zu lösen.

Die sehr starke Verbreitung der Reblaus, des
größten Feindes unserer Rebe, bedingt durch das
Aufhören der Bekämpfungsmaßnahmen während
des Krieges, hat zu einer ernsthaften Bedrohung
unseres Weinbaues geführt. Die in allen Weinbauländern
unternommenen j ahrzehntelangen
Versuche zur Bekämpfung der Reblaus, führten
zu der Erkenntnis, daß nur die Umstellung des
gesamten Weinbaues auf reblausfeste Pfropfreben
dauernden Schutz vor diesem Schädling
gewährt. Die in den vergangenen Jahrzehnten
durchgeführte direkte Reblausbekämpfung durch
Ausrottung der Reblausherde mit Schwefel-
Kohlenstoff führte nicht zum Erfolg, weil der
Winzer teils unbewußt, teils absichtlich, die
im Reblausgesetz zum Schutze der Rebbestände
niedergelegten Bestimmungen nicht beachtet
hat.

Es bleibt deshalb nur der eine Weg übrig, in
unseren reblausverseuchten Gebieten die Neu-
bepflanzung der Weinberge mit Pfropfreben mit
größter Beschleunigung durchzuführen. Mit dieser
Umstellung der Weinberge muß eine grundlegende
Änderung und Verbesserung der Betriebsweise
verbunden sein mit dem Ziel, mehr
Wein und besseren Wein auf der gleichen Fläche
zu erzeugen als bisher unter gleichzeitiger Verminderung
des Arbeitsaufwandes und der Betriebskosten
.

Auch die Lage auf dem Weinmarkt, die sich in
gefahrdrohender Weise zu ändern scheint — die
sehr günstige Preisgestaltung der vergangenen
guten Wein jähre dürfte wohl der Vergangenheit
angehören — wird den deutschen Winzer zu
einer Verbesserung und Vereinfachung seiner
Arbeitsweise zwingen. Wenn wir den Wettbewerb
mit den billigen Auslandsweinen erfolgreich
durchstehen wollen, dann gilt es alles zu
tun, um zu einer weitgehenden Mechanisierung
unseres Weinbaues zu gelangen unter gleichzeitiger
Verbesserung und Veredlung unseres Rebbestandes
. Mit unseren reblausverseuchten, überalterten
und zum Teil degenerierten Reben werden
wir in Zukunft nicht mehr konkurrenzfähig
sein.

Der Wiederaufbau unserer Weinberge kann
nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn derjenige
, der sie letzten Endes durchzuführen hat,
auch den Sinn der Maßnahme erkannt hat. Der
Winzer soll deshalb überzeugt sein, daß alles,
was durchgeführt wird, letzten Endes zum Ziele
hat, seinen eigenen Betrieb, d. h. seine eigene
Wirtschaft und seine Lebenshaltung auf eine
höhere Stufe zu bringen. Wenn er zu dieser Erkenntnis
gekommen ist, wird er sich um so freudiger
zur Mitarbeit bereit erklären, selbst wenn
er Dinge, die ihm altgewohnt sind, schwer aufgeben
oder umändern muß.

Wenn auch die Durchführung dieser Arbeiten
nicht zu der angenehmsten Tätigkeit der auszuführenden
Organe gehört, weil sehr viele Schwierigkeiten
überwunden werden müssen, so kann
aber nach Fertigstellung des Wiederaufbaues einer
Gemarkung der Erfolg in den vielseitigsten Vorteilen
nicht hoch genug gewertet werden.

Eine Episode vom Weinmarkt

Der Weinmarkt in Müllheim ist immer eine
Angelegenheit des ganzen Markgräflerlandes gewesen
, gleichsam der Zunfttag des Rebmannes.
Dies kommt besonders abends nach dem offiziellen
Teil des Weinmarktes, bei Wein und Tanz,
zum Ausdruck, weil dann der sonst eher zurückhaltende
Markgräfler auftaut und er sich so gibt
und geben kann wie er ist, weil er sich unter
seinesgleichen weiß. Bei einem Glas Wein läßt
sich mit einem Markgräfler immer reden. Der
W7ein ist nun einmal sein Lebenselement, ohne
das er nicht leben will und auch nicht kann. Und
daß der Markgräfler seinen Wein hochhält und
ihn verteidigt, wenn's sein muß, gehört zu seinem
Heimat- und Hausrecht.

Das hat vor vielen Jahren ein Herr aus dem
Siegerland erfahren müssen, der auf der Durchreise
den Weinmarkt besuchte und nach einem
guten Nachessen im Hotel ,,Löwen" sich in die
Festhalle verirrte.

„Na, hier wird aber ordentlich gefeiert", redete
er seinen Tischnachbarn, einen Rebmann aus
Blansingen, an, „trinken denn die Leute hier alle

nur Wein?" — „Wurum? Solle sie denn Wasser
suffe, wenn si 's ganz Johr sich mit de Rebe
ploge?", entgegnete mit einem verächtlichen Seitenblick
auf den Fremden, der sich eben eine
Flasche Sprudel servieren ließ, der Blansinger. —

„Wissen Sie, ich bin Abstinenzler und betrachte
die Sache von einem höheren Standpunkt.' Denken
Sie nur einmal an die soziale Seite dieses
Problems. Das Weintrinken ist doch eigentlich
eine üble Sitte!" meinte der Fremde. — „Ubli
Sitte, übli Sitte, das han-i grad no ghört. Vum
Februar bis in Oktober mueß sich unserem ploge
und schinde, vum Morge bis z'nacht, un wämmer
unser Teil gschafft hän, simmer erseht no uff
unser Herrgott agwiese, un Sie chömme un sage,
's Wiitrinke sei e übli Sitte? Hänn Sie denn Ihr
Läbtig nur Wasser, Kaffi un Tee g'memmelet?
Un die soziali Frog — selli löse mir au im Rebberg
. Wenn uns unser Herrgott e guet Wiijohr
git, hän mir Wiibure z'lebe; wenn's nit git, mueß
unser eis au zfriede si. Un zue dem: im Wii isch,
soviel ich weiß, no nieme versöffe, im Wasser
aber scho menge!" — Der brave Rebmann hatte


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