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Die Markgrafschaft
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Bürgeln lim 1900 / Aus meiner Erinnerungskommode
Von Jda Preusch-Müller
Das Kleinod des Markgräflerlandes stellte damals
noch in seinem alten, schlichten Gewand
ein Stück Markgräfler Heimat dar^ das jederzeit
für jedermann offen war. Das Schloß befand sich
^ruberer %[tat i>er Capelle auf @d)loß Bürgeln
zu jener Zeit im Besitze der Familie Brermer-
Stotz und war Ausflugsort für einen weiten Umkreis
. Auch Kurgäste wurden in den Zimmern
des oberen Stockwerks aufgenommen.
Wie behaglich war es in der großen, hellen
Wirtsstube mit den vielen Fenstern, die rechts
vom Eingang lag und einen freien Blick gab ins
Tal, auf Sausenburg und Kandertal. Darüber
hinaus auf die fernen Höhen der Nachbarländer.
Für uns Kanderner galt es doppelt, wenn wir die
Kamine unserer Ziegelhütten sahen oder die
Rauchfahne, die unser Bähnle durch's Kandertal
zog. „Lueget dort: Chander!", sagten wir fröhlich.
Ostern war ein besonderes Fest. Da zogen die
gutbekannten Familien mit Kind und Kegel nach
Bürgeln, wo uns die gute Frau Brenner im Hausgarten
den Osterhasen versteckt hatte. Der kleine,
zapplige Hausherr rief uns aus einer Ecke in die
andere, bis wir in den hohen Buchseinfassungen
der Gartenbeete alle bunten Eier gefunden hatten
. Er verteilte sie dann gleichmäßig, und zum
Schluß durften wir noch in die farbigen Glaskugeln
schauen, die auf dünnen, grüngestrichenen
Pfählen überall im Garten aufgestellt waren.
Wie leuchtete das Fleckchen Welt, das sich darin
spiegelte, so herrlich in all den vielen Farben,
und wie lustig waren unsere Gesichter verzerrt
darin.
Kapelle und Ähnensaal konnten wir Kinder
noch nicht würdigen, aber heimlich auf dem breiten
Geländer der glänzenden, altersdunkeln
Treppe aus dem oberen Stockwerk hinunterrutschen
, das war fein.
Der Platz vor dem Schloß und die breite Auffahrt
boten uns weiten Raum zum spielen, ebenso
die Wiesenhänge an der Westseite. Schuppen und
alte Kegelbahn gaben Winkel zum „Versteckeries
machen*4 und der alte Eiskeller im Rain regte
unser Vorstellungsvermögen mächtig an. Wir
glaubten zuletzt, dies sei der Eingang zu einem
geheimen unterirdichen Gang, der vor Zeiten zu
der benachbarten Sausenburg hinüber geführt
habe.
In Kandern war es Sitte, daß am Palmsonntag
die ,,Ledigen" zum» hl. Abendmahl gingen. Nach
der Konfirmation gehörte man dazu und hatte
das Recht, am herkömmlichen Nachmittagsausflug
nach Bürgeln teilzunehmen. Singend ging es
die Sitzenkircher Straße entlang, durch das Dörfchen
, am alten Klosterkirchle vorbei den Rebberg
hinauf in den lichten Wald. Unsere knöchellangen
, weiten Kleider sollten uns nicht am Steigen
hindern. Wie die großen Damen rafften wir unsere
Falten oder Serpentinvolants vorschriftsmäßig
mit der rechten Hand seitlich zusammen,
verschämt oder kokett die weißen, gestärkten
Spitzenvolants der Unterröcke blitzen lassend.
Von allen Seiten gesellte sich Jugend zu uns.
Aus dem Eggener- und Weilertal, von Vogelbach,
Käsacker, Malsburg, und Fröhlichkeit war aller-
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