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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1950-05/0004
2 Die Markgrafschaft

Das Vreneli

Wer die Gedichte von Johann Peter Hebel
kennt, weiß auch von dem neckischen Lied: Hans
und Verene. Weniger wird die Persönlichkeit und
der Lebensgang dieser Verene bekannt sein, von
der unser Hebel singt:

Es gfallt mer numme eini,
un selli gfallt mer gwies!
O, wenn i doch das Maidli hätt,
es isch so flink un dundersnett,
i war im Paradies!

und die er uns also illustriert:

's het allewil e frohe Muet,

e Gsichtli het's wie Milch un Bluet,

un Auge wie-ne Stern.

Das Taufbuch der Evang. Kirchengemeinde
Hasel (Hasel, bekannt durch seine Tropfsteinhöhle
) enthält unterm 26. Oktober 1779 einen
Eintrag, wonach dort Verena Geiger geboren
wurde. Ihre Mutter war die ledige Maria
Geiger, der Vater ein gewisser Herr von Ellrichshausen
. Die Mutter heiratete 1785 einen Elsässer
namens Meier. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß
das Vreneli schon in jungen Jahren das herbe
Brot der Fremde essen mußte und als Verdingkind
herumgestoßen wurde.

Zur schönen Jungfrau erblüht, finden wir sie
wieder im Pfarrhaus zu Kirchen, wo sie Heimat
und Unterkunft bei Pfarrer Mylius gefunden
hatte.

Bei einem Besuch, den J. P. Hebel im Kirchener
Pfarrhaus machte, hat das schöne Kind einen
so vortrefflichen Eindruck auf den Dichter
gemacht, daß er in seiner guten Laune bald jene
Verse schrieb, welche den Namen dieses Mark-
gräfler Maidli überall bekannt gemacht haben.
Auch dem Pfarrherrn gefiel das Gedicht so gut,
daß er es Hebel nicht versagen konnte, das Lied
dem Vreneli persönlich vorzutragen.

Bekannt ist die alte Zeichnung „Hebel und
Vreneli" — ein schelmisches Lächeln spielt um
Mund und Augen Hebels, als ob er dem Mädchen
mit dem verlegenen Augenniederschlag eben
seine Verse vortrüge, dabei schalkhafte Mahnungen
einflechtend.

Vreneli blieb noch manche Jahre bei seiner
Pfarrfamilie, und als Pfarrer Mylius nach Grünwettersbach
bei Durlach versetzt wurde, zog sie
mit. Dort verheiratete sie sich mit einem Küfer
namens Rohrer. Glücklich war diese Ehe nicht.
Rohrer war ein roher Mensch und Trunkenbold,
und die zwölf Jahre Eheleben waren für Vreneli
ein Höllenleben. Rohrer war nicht nur ein versoffener
Lumpazi, er mißhandelte auch seine
Frau, so daß sie einmal durch einen Sprung aus
dem Fenster sich vor ihm flüchten mußte und
dabei so unglücklich fiel, daß sie Zeit ihres
Lebens an einem Fuß hinkte. Als ihr Mann nach
zwölf Jahren starb, hinterließ er ihr nichts als
ein verschuldetes, und, wie das bei Säufern üblich
ist, wohl auch verlottertes Anwesen.

Sie suchte zwar durch ihrer Hände Arbeit,
durch fleißiges Spinnen und Blumenbinden sich

über Wasser zu halten, auch erhielt sie dann und
wann Untertützungen von einem kleinen Kreis
von Hebelfreunden, welchen sie als Hebels Vrene
schon bekannt war. Die Großherzogin Sophie von
Baden gehörte ebenfalls zu ihren Gönnern. Aber
zunehmendes Alter verminderte ihre Arbeitskraft
. Not und Mangel waren bald ihre treuesten
Hausgenossen. Auf das Drängen eines Gläubigers
verlor sie schließlich auch ihr Häuschen.

Da erschien, von Verehrern Hebels veranlaßt,
eine Mitteilung über das Hebel-Vreneli in der
Zeitung. Mit diesem Schritt in die Öffentlichkeit
kamen auch für's Vreneli wieder bessere Zeiten.
Das Badner Land schickte sich eben an, Hebels
100. Geburtstag zu feiern. Aus dem ganzen Land
liefen für Vreneli Spenden ein, die für die Vielgeprüfte
auf der Sparkasse angelegt wurden.
Auch sonst wurde sie bei Hebelfeiern in Karlsruhe
vielfach geehrt und da und dort eingeladen,
Hebel'sche Gedichte im Dialekt vorzutragen; auch
in die Schulen fand sie ihren Weg.

So war es wie ein letztes leuchtendes Abendrot
nach den düsteren Jahren ihres Ehe- und Witwenstandes
. Der Strahl der Dichtersonne Hebels,
der auf sie in heiterer Jugendzeit gefallen, vermochte
noch in die Tage des Alters einen freundlichen
Schimmer zu werfen. Doch nicht lange.
Die Hebelzeit ging vorüber, und auch das Interesse
an Verena Rohrer, geb. Geiger, nahm immer
mehr ab.

Ihre letzte Lebenszeit verbrachte sie in der
Stille des Karlsruher Diakonissenhauses, wo sie
am 8. Januar 1869, 90 Jahre alt, an Altersschwäche
gestorben ist.

Sie liegt auf dem Karlsruher Friedhof begraben
, fern ihrer Markgräfler Heimat, deren Tracht
sie Zeit ihres Lebens mit Stolz getragen, weil sie
sich bewußt war, Hebels Vreneli zu sein.

F. w.

(Nach einer Darstellung in Heft 3, Jahrg. 1930, der
Zeitschrift „Das Markgräflerland".)

Mutter im Glück

Du winzig chlai Gschöpfli,
i ha di im Arm,
jetz bett i dy Chöpfli
ans Herz mir so warm.

Chumm, trink der jetz Lebe
un Chraft us mym Bluet,
du hailig Erlebe,
du gottselig Guet.

My Brust wird e Quelle
voll Lebe für di,
dy Lebe strömt Welle
voll Glück über mi.

Vergesse sind d'Schmerze,
waiß numme no ais,
ai Lied in mym Herze:
My Büebli, my chlais!

Jda Preusch-Müller.


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